Jedes Jahr zeichnet die Gesellschaft für deutsche Sprache (GdS) ein Wort aus, das in diesem Jahr eine besondere Bedeutung für die Gesellschaft hatte. Kürzlich wurde der Begriff „Respektrente“ zum Wort des Jahres 2019 auserkoren. So wird eine Grundrente für Personen bezeichnet, die nur eine geringe Rente erhalten, obwohl sie im Laufe ihres Lebens lange erwerbstätig waren. Die Einführung dieser Grundrente ist für das Jahr 2021 geplant. Auf dem zweiten Platz bei der Bestimmung vom Wort des Jahres 2019 landete „Rollerchaos“, während sich „Friday for Future“ mit dem dritten Rang zufrieden geben musste.
Es ist durchaus interessant, sich damit auseinanderzusetzen, welche Begriffe bislang zum Wort des Jahres gemacht wurden. Denn tatsächlich zeigt dies, welche Sachverhalte die deutsche Gesellschaft zur jeweiligen Zeit beschäftigt haben. Auch für Dolmetscher und andere Personen, die beruflich mit Sprache zu tun haben, ist dieses Gebiet durchaus interessant, weil es ihr Gefühl für die Sprache verfeinert. Erstmals bestimmte die GdS 1971 ein Wort des Jahres. Es lautete „aufmüpfig“, da es nach Begründung des Vereins vermehrt im Wortschatz der Linken auftauchte. Dahinter lagen die Begriffe „Junktim“ und „Umweltschutz“ auf dem zweiten und dem dritten Rang. Anschließend pausierte die Aktion für einige Jahre, bis sie ab 1977 regelmäßig stattfand. Wie sehr sich die Zeit seitdem gewandelt hat, zeigt allein das Wort des Jahres 1977. Es lautet „Szene“, was damals einen begrifflichen Wandel durchmachte. Wurde es vorher lediglich im Zusammenhang mit Theaterstücken verwendet, so bezeichnete es in den 1970er-Jahren immer häufiger Zusammenschlüsse von Personen, die ein gemeinsames Interesse verbindet. Zu denken ist dabei etwa an Musiker, die sich in einer bestimmten Szene befinden.
Der Begriff „Holocaust“ wurde zum Wort des Jahres 1979, weil es erst dann zum festen Bestandteil der deutschen Sprache wurde. In den Jahren 1989 und 1990 bestimmte die deutsche Wiedervereinigung die Wahl zum Wort des Jahres. So wurde „Reisefreiheit“ zum Wort des Jahres 1989. Es bezeichnete die Möglichkeit von DDR-Bürgern in Länder des Ostblocks zu reisen, was von vielen Flüchtlingen als Umweg in Richtung Westen genutzt wurde. Den zweiten Platz erlangte die Buchstabenkombination „BRDDR“, auf Rang drei landete „Montagsdemonstrationen“. Das Wort des Jahres 1990 war „die neuen Bundesländer“, gefolgt von „vereintes Deutschland“ und „2+4-Gespräche“. Auch 1991 hatte die Wiedervereinigung noch Einfluss auf die deutsche Sprache, schließlich wurde „Besserwessi“ zum Wort des Jahres 1991 gekürt.
Als Angela Merkel 2005 zur Regierungschefin Deutschlands gewählt wurde, war sie die erste Frau in der Geschichte dieses Amtes. Daher musste der Begriff „Bundeskanzler“ an ihr Geschlecht angepasst werden – die „Bundeskanzlerin“ war geboren. Prompt wurde dies auch zum Wort des Jahres 2005 gemacht. Die Flüchtlingskrise, die Europa ab 2015 beschäftige, bedachte die GdS damit, dass sie „Flüchtlinge“ zum Wort des Jahres 2015 machte. Im Jahr 2018 war übrigens die Wortschöpfung „Heißzeit“ der wichtigste Begriff für die Gesellschaft. Sie bezieht sich auf die fortschreitende Erwärmung der Erde aufgrund des Treibhauseffekts. Dahinter lagen die Wörter „Funklochrepublik“ und „Ankerzentren“. Letztere sind Asylzenten, in denen Flüchtlinge nach ihrer Ankunft in Deutschland zunächst untergebracht werden. Bedenkt man, dass schon 2007 der Begriff „Klimakatastrophe“ zum Wort des Jahres gewählt wurde, wird deutlich, dass die Themen Flüchtlinge und Umwelt die Deutschen in jüngerer Vergangenheit besonders beschäftigen.