So unterschiedlich wie die individuellen Alterungsprozesse von Menschen sein können, so vielfältig sind auch die technischen Möglichkeiten, das Seniorendasein lebenswert zu gestalten. Sie reichen von gut bedienbaren Telefonen und leicht zu öffnenden Türen über Ein- und Ausstiegshilfen fürs Auto bis zu individuell angepassten Fahrrädern und manövrierbaren Segelbooten. Das Handwerk ist aufgerufen, die technischen Neuerungen publik zu machen.
„Schrecklich das Älterwerden. Alles ist mühsam, Arbeit wird unerträglich, Hobbys bleiben auf der Strecke.“ Das ist die eine Meinung. Oder: „Im Rentenalter fängt das Leben erst richtig an. Die wenige Arbeit, die noch getan werden muss, lässt sich mit Unterstützung leicht bewältigen. Nichts geschieht mehr unter Zeitdruck, Hobbys füllen den Alltag.“ Das ist die andere Meinung. Die könnten mehr Menschen teilen, sind viele Experten überzeugt, würden sie nur die Unterstützungen nutzen, die der Markt bietet. Und das ist viel, viel mehr als die Leute wissen.
Bekannt sind vielleicht noch Telefone mit ausreichend großen Tasten, Griffe im Badezimmer und schwellenlose Duschtassen. Der gute Service von Orthopädieschuhmachern, Kfz-Mechanikern, Elektrikern oder Schreinern hingegen fristet ein stiefmütterliches Dasein. Dabei ist Unterstützung durch Technik nicht erst sinnvoll, wenn das Pflegeheim droht, sondern schon viel früher, um sich den Alltag zu erleichtern und Hobbys zu erhalten. „Ich schätze, dass sich 20 Prozent der Menschen für solche Produkte interessieren und bereit sind, dafür Geld auszugeben“, sagt Knut Deutscher, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Cottbus.
Bequemlichkeit der Behausung
Barriefreie Wohnungen seien in der Tat der große Renner, bestätigt Ulrich Zimmer, Maschinenbauermeister aus dem brandenburgischen Müllrose und handwerklich seit 40 Jahren im Bau tätig. „60 Prozent meines Hochbauvolumens besteht heute aus barrierefreien Häusern“, berichtet der Experte. Und die Nachfrage beschränkt sich mitnichten auf 80-Jährige. „Ab 50 entwickeln die Leute schon ein Bewusstsein für das Leben in den kommenden Jahrzehnten, fragen etwa eher nach Bungalows als nach Häusern mit Treppen.“
Und ab 60 spiele die Bequemlichkeit der Behausung eine Riesenrolle. „Wir bauen ganze Wohnanlagen mit den Anforderungen für Barrerefreiheit“, erzählt Zimmer. Das heiße etwa, überall im Gelände weniger als sechs Prozent Gefälle zu haben oder Ausgänge und Zugänge zu Parkplätzen ohne Stufen anzulegen. Das bedeute aber auch, die Fenster so tief einzubauen, dass man auch im Sessel hinausschauen kann. „Komfort heißt das Stichwort, nicht etwa behindertengerecht.“
Vernetzung von Assitenzsystemen
Die Forschung für diese Art Komfort läuft auf Hochtouren. So entwickelt das Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung in Stuttgart etwa den Serviceroboter Care-O-bot, der im Alltag unterstützen soll. „Denkbar ist, dass unser Roboter heruntergefallene Dinge aufhebt und typische Haushaltsgegenstände anreicht“, erzählt der Projektleiter Christopher Parlitz. Eher Zukunftsmusik ist das, aber schon bald könnte ein Roboter auf den Markt kommen, der Fenster putzt, einen Staubsaugerroboter gibt es bereits.
Am Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering in Kaiserslautern geht es um die Vernetzung von Assitenzsystemen für die Wohnung. „Insellösungen, wie der bekannte Notknopf für Senioren, funktionieren in der Realität nur bedingt, denn in den seltensten Fällen wird in einem Notfall vom Patienten der Notruf aktiv ausgelöst“, begründet Alexander Rabe, wie wichtig diese Arbeit ist. „Besser ist, viele der bereits heute verfügbaren Sensoren und Notfallerkennungssysteme – wie zum Beispiel solche im Teppich, die einen Sturz registrieren, oder solche im Badezimmer, die feststellen, ob jemand den Raum betritt – miteinander zu vernetzen.“ Erst das garantiere, dass im Notfall auch wirklich Alarm geschlagen und kein Fehlalarm ausgelöst werde.
Kunden auf gute Lösungen aufmerksam machen
Welche Enwicklungen wirklich Sinn machen, hat die Soziologin Dr. Heidrun Mollenkopf im interdisziplinären Forschungsprojekt „Sentha“ untersucht. Der Alterungsprozess beginnt schleichend, Tastsinn, Sehen und Hören lassen allmählich nach. „Oft bereiten ganz einfache Alltagstätigkeiten Schwierigkeiten, etwa Verpackungen und Flaschen zu öffnen oder Medikamente aus ihren Kärtchen herauszudrücken“, hat die Wissenschaftlerin herausgefunden. Und raffinierte Technik sei zuweilen völlig unleserlich beschriftet. Leider lege die Industrie selten Wert auf die gute Handhabbarkeit ihrer Produkte, trotz zahlreicher Vorschläge aus Designerkreisen, bedauert sie. „Gerade Handwerker sind aufgerufen, ihre Kunden auf gute Lösungen aufmerksam zu machen“, empfiehlt die Expertin.
Das gelte durchaus auch für jüngere Leute. „Auch sie denken immer mehr daran, sich rechtzeitig so auszustatten, dass sie mit den Dingen auch in höherem Alter zurechtkommen.“ Erleben sie doch erstmals ihre Eltern als hochbetagte Senioren, die aktiv am Leben teilnehmen möchten. Leider seien aber auch manche Handwerker nicht gut genug informiert, was es alles an neueren Entwicklungen gebe, bedauert Mollenkopf. Sie sollten sich aktiv Wissen über die Situation und die Wünsche älterer Menschen aneignen, um ihnen die Möglichkeiten baulicher oder technischer Unterstützung nahezubringen und bei der Installation entsprechend Rücksicht zu nehmen. Zahlreiche Kammern und auch die Deutsche Gesellschaft für Gerontotechnik bieten Weiterbildungskurse an.
Sensorik im Kommen
Groß im Kommen sind mit Elektronik und Sensorik ausgestattete Wohnungen. Professor Dr.-Ing. Klaus Fellbaum, 17 Jahre lang am Institut für Kommunikationstechnik an der TU Cottbus und auch im Projekt Sentha tätig, schwört auf stimmgesteuerte Systeme. „Da sprechen Sie in ein kleines Kästchen und teilen der Heizung mit, dass Sie es gern wärmer hätten,“ lacht er. Dafür müsse man nicht einmal eine komplizierte Gebrauchsanweisung lesen. Sinnvoll seien auch Meldungen auf dem Fernsehbildschirm.
„Da erscheint etwa über eine Kamera an der Haustür das Bild eines Besuchers, der an der Tür klingelt.“ So überhört niemand die Schelle und öffnet auch nicht unüberlegt die Haustür. „In Zukunft wird sich mit Sensoren sogar der ganze Tagesablauf überwachen lassen und bei Notfällen Alarm schlagen“, berichtet Fellbaum. Solche Systeme ermöglichen oft ein Leben im eigenen Zuhause, sagt Fellbaum. Die schwierige Balance zwischen einem selbstbestimmten Leben und der Überwachung im Notfall müsse aber jeder für sich entscheiden.
Nicht zu viel Bequemlichkeit
Andererseits dürfe aber auch die Bequemlichkeit nicht überhand nehmen, warnt der Experte. Es kann durchaus gesundheitsschädlich sein, durch Hilfsmittel die notwendige Bewegung zu stark zu reduzieren. Einer wissenschaftlichen Studie zufolge weisen Männer zwischen 61 und 81 Jahren, die täglich weniger als anderhalb Kilometer laufen, eine doppelt so hohe Sterblichkeit auf wie solche mit einer längeren Gehstrecke. Mit zunehmendem Alter werden die Unterschiede in der Leistungsfähigkeit zwischen Trainierten und Untrainierten zudem immer größer.
Was aber tun, wenn das Gehen so schwer fällt, an Wandern, Fußballspielen oder Fahrradfahren gar nicht zu denken ist? Auch hier können Handwerker helfen, Orthopädieschuhmacher etwa oder Zweiradmechaniker. Sportlich aktiv sind nur 20 Prozent der Älteren. Dabei stehen nach sportwissenschaftlichen Untersuchungen Wandern, Radfahren oder Kegeln ganz oben auf der Prioritätenliste der Senioren. Mit den entsprechenden Produkten lassen sich diese Wünsche oft erfüllen. „Es hapert lediglich an der Werbung“, bedauert Knut Deutscher. „Die Betriebsinhaber sollten ihre Kunden auf Produkte und Service aufmerksam machen und den wachsenden Markt für sich erschließen.
Quelle: Handwerksblatt