Oberberg – Die DAK Gesundheit Oberberg veröffentlichte ihren Gesundheitsreport 2021 für das Bergische Land. Berichtet wird über die Erkrankungen bei DAK Versicherten Erwerbstätigen im Bergischen Land. Die Studie gilt auch für die nicht bei der DAK Versicherten als repräsentativ. Betrachtet wurde vor allem das erste Halbjahr 2020 im Vergleich zu dem ersten Halbjahr 2021.
Insgesamt ist ersichtlich, dass die Krankenstände unterhalb des Durchschnitts von Nordrhein-Westfalen liegen. Außerdem wurden im ersten Halbjahr 2021 deutlich weniger Krankmeldungen abgegeben als im ersten Halbjahr 2020. Die Erkrankungsgruppen, die im ersten Halbjahr 2021 die meisten Fehltage verursachten, betrafen das Muskel-Skelett-System (z.B. Rückenschmerzen, Knieprobleme usw.) und psychische Erkrankungen (z.B. Depressionen, Neurosen, Angststörungen).
Im ersten Halbjahr 2020 wurden beide Gruppen noch von Erkrankungen bezüglich des Atemsystems (Erkältungen, Bronchitis, Mandelentzündung usw.; Covid-Infektionen nicht inbegriffen) überholt, was im ersten Halbjahr 2021 um mehr als die Hälfte zurückging. Prof. Dr. Franz Blaes, Chefarzt der Neurologie im Kreiskrankenhaus Gummersbach, führte dies insbesondere auf den Einsatz von medizinischen Masken und den vermehrten Abstand zurück. Atemwegserkrankungen gelten als Indikator für die Stärke der Grippesaison eines Jahres.
Betrachtet man das gesamte Jahr 2020, wurden 19,4 Prozent der Fehltage von psychischen Erkrankungen verursacht, gefolgt von der Gruppe “Muskel-Skelett-System” mit 17,6 Prozent.
Zunahme der psychischen Erkrankungen
Die psychischen Erkrankungen sind im zweiten Jahr infolge Spitzenreiter der Tabelle. Wolfgang Brelöhr, Chef der DAK-Gesundheit Oberberg, beschrieb, dass diese Gruppe in vielen Kreisen in den Top 3 zu finden ist. Dr. Johannes Michael Albers, Chefarzt der Allgemein- und Gerontopsychiatrie, berichtete von der Situation im Kreiskrankenhaus Gummersbach. Es gebe weniger ältere Patienten, vermutlich auch aufgrund von Schwierigkeiten in den Altenheimen; Die Hemmung sei größer, Personen in die Psychiatrie einzuweisen, da sie sich bei ihrer Rückkehr zunächst in Quarantäne begeben müssten. Gleichzeitig bestehe gerade bei den älteren Patienten eine erhöhte Suizidalität, was er auf ihre Isolierung zurückführte. Insgesamt haben sich die Hemmungen allerdings wieder reduziert; die Stationen seien voll, es gebe auch wieder eine Warteliste.
Nach Schließung der Schulen habe es weniger Patienten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie gegeben, so Dr. Albers. Inzwischen nehmen insbesondere Essstörungen wieder zu. Dr. Albers und Prof. Dr. Blaes befürchteten eine Zunahme an psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen aufgrund eines erhöhten Leistungsdrucks, um die verpasste Schulzeit während der Schulschließungen aufzuarbeiten. Sie forderten dazu auf, den Fokus mehr auf diese Generation zu legen. In der Vergangenheit sei die Aufmerksamkeit zu stark auf die Wirtschaft gerichtet gewesen.
Sie vertraten die Ansicht, dass mehr getan werden müsse, um Kindern und Jugendlichen den Schulbesuch zu ermöglichen und sie dabei gleichzeitig zu schützen. Es werde bereits seit Oktober 2020 nicht ausreichend getan, um Kinder zu schützen. Als Möglichkeiten hierzu nannten sie Lüftungskonzepte, Raumluftfilter oder auch kleinere Klassen mit mehr Lehrkräften. Eine Durchseuchung sei keine Option, da Kinder zwar meist nicht schwer erkranken, jedoch einem unnötigen Risiko ausgesetzt würden. Oft würden sie auch zu unbemerkten Überträgern des Virus.
Insgesamt sollen laut DAK Bericht weniger Fälle von psychologischen Erkrankungen aufgetreten sein; Die aufgetretenen Fälle erforderten jedoch eine längere Behandlungszeit. Aufgrund des Wegfalls von sozialen Bindungen erwartet Dr. Albers, dass die Folgen der Corona-Pandemie und der dazugehörigen Maßnahmen in Hinsicht auf psychischen Erkrankungen noch auf uns zukommen. Auch Prof. Dr. Blaes merkte an, dass eine Welle an psychischen Erkrankungen vermutlich noch kommen werde.
Muskel-Skelett-System: Auswirkung des Home Office?
Mit 17,6 Prozent nehmen Beschwerden im Bereich des Muskel-Skelett-Systems den zweithöchsten Anteil an Fehltagen über das Jahr 2020 ein. Da ein Zusammenhang mit den veränderten Arbeitsbedingungen im Home Office zu vermuten ist, hat die DAK ihrem Report einige Umfrageergebnisse angefügt. Dementsprechend waren zwischen April 2020 und Februar 2021 38 bis 40 Prozent der Beschäftigten bundesweit regelmäßig im Home Office.
Im Home Office gaben 44 Prozent der Teilnehmer an, sich insgesamt deutlich weniger zu bewegen, 33 Prozent hat mindestens drei Kilogramm zugenommen, 32 Prozent klagen über mehr Rückenbeschwerden. Hinzu kommen auch psychische Gesundheitsrisiken aufgrund von Isolation oder Doppelbelastung.
Prof. Dr. Blaes sprach sich dafür aus, nicht nur Prävention, sondern auch Edukation im Bereich des Muskel-Skelett-Systems zu fördern. Der Grad der Erkrankung der Patienten, die in das Kreiskrankenhaus kommen, sei sehr unterschiedlich. Viele Erkrankungen seien mit mehr Hintergrundwissen auch selbst therapierbar.
Themenkomplex Corona: Impfung und Long Covid
Prof. Dr. Blaes berichtete außerdem von den Erfahrungen im Kreiskrankenhaus mit der Covid-19-Pandemie, so zum Beispiel, dass über die Hälfte der Patienten, die auf die Intensivstation verlegt werden müssen, Folgeschäden davon trügen. Kontakteinschränkungen und Masken hätten geholfen, einen Weg aus der Krise sieht er jedoch nur durch die Impfung. Er warnte jedoch auch vor der Gefahr durch die Delta-Variante, auch für Geimpfte.
Für den kommenden Winter befürchtete Prof. Dr. Blaes eine “Pandemie der Ungeimpften”. Der Teil der Patienten auf der Intensivstation, die geimpft seien, wären ausnahmslos älter oder hätten schwere Vorerkrankungen. Er bezeichnete die Impfung als sicher, vor allem aber überwögen die Vorteile einer Impfung die Risiken. Schwere Komplikationen seien um den Faktor 100 geringer als bei einer Covid Erkrankung.
Zu der Thematik der Auffrisch-Impfung bezog sich Prof. Dr. Blaes auf die Daten aus Israel: Nach fünf bis sechs Monaten lasse die Wirkung der Impfung langsam nach, wohingegen nach einer Auffrischung die Infektionszahlen und die Anzahl schwerer Verläufe wieder deutlich geringer seien. Er hob allerdings auch hervor, dass sich die bekannten Zahlen auf die Personengruppe über 65 Jahren beziehe; Für jüngere gebe es noch keine Daten.
Zudem betonte er die Wichtigkeit, weder zu überempfindlich zu reagieren, noch die Covid-19-Erkrankung zu unterschätzen. Es gehe um einen Mittelweg: Schutz zu suchen, allerdings ohne Angstneurose.
Autorin: Amei Schüttler