Engelskirchen – Im Rahmen eines “HöhlenErlebniszentrums” (HEZ) soll das Windloch, die längste Höhle NRWs, virtuell zugänglich gemacht werden. Doch ist die Virtuelle Realität (VR) selbstverständlich nicht alles, was die Gemeinde Engelskirchen, der Oberbergische Kreis und der Tourismusverband “Das Bergische” gemeinsam planen.
Warum ein HöhlenErlebniszentrum?
Seit dem Jahrhundertfund des Windlochs 2019 fasziniert das Höhlensystem, die geheime und unberührte Welt unterhalb unseres Alltags, Menschen von nah und fern. Umso enttäuschender wirkt es, dass sie der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden kann. Forschung und Wissenschaft, die dort unter anderem außergewöhnliche Mineralien mit europaweiter Bedeutung untersuchen, haben den Vorrang. Um die Besonderheiten zu vermitteln, so berichtete Bürgermeister Dr. Gero Karthaus, wurde eine Arbeitsgruppe gegründet.
Das hier entstandene Konzept muss zwar zunächst heute Abend (27.04.2022, 18 Uhr) im Rat vorgestellt und beschlossen werden, ist allerdings innerhalb des Rat-Portals bereits einsehbar. Auch der Standort steht bereits fest: Direkt an der Aggertalhöhle, um diese einbinden zu können und Höhlen wirklich erlebbar zu machen. Im HEZ sind mehrere Bereiche vorgesehen; Neben den vier Bereichen “Multi-Media”, “Interaktive Ausstellung”, “Virtuelle Realität” und “Aggertalhöhle” wird jedoch auch am Außenbereich gearbeitet.
Der Multi-Media-Bereich: Ein 360 Grad Projekt
In den zwei Räumen zur Multi-Media-Inszenierung sollen Filme und Animation mit interaktiven Elementen auf Wänden, Decke und Boden abgespielt werden. Vorstellbar wäre zum Beispiel, so Ursula Dworák, Geschäftsführerin von MuseoConsult, das Urmeer zu zeigen und die Entstehung der Höhle. Im Konzept ist dazu die Rede davon, dass “interaktive Elemente im Boden […] Korallenbänke wachsen [lassen] oder hinterlassen Fußabdrücke im Staub”.
Um das alles realisieren zu können, müssen im Windloch aufwendige 3D-Aufnahmen gemacht werden. Dadurch soll am Ende ein authentisches Erleben der Höhle im HEZ ermöglicht werden.
Interaktiver Ausstellungsbereich im HEZ
Der interaktive Ausstellungsbereich soll eher dem eines klassischen Museums ähneln – allerdings mit interaktiven Möglichkeiten, die gerade für Kinder ein Highlight, aber auch für alle älteren Mitmenschen fesselnd sein sollen. Spielerisch werden hier die Informationen vertieft, beispielsweise über unterschiedliche Höhlenarten oder die dort schlafenden Fledermäuse. Umsetzbar wäre dies zum Beispiel über ein Forschertablet oder einer App. Dieser Teil des Konzept erinnert vielleicht den einen oder anderen auch an das Phänomenta in Lüdenscheid.
VR soll das Windloch für die Öffentlichkeit zugänglich machen
Im HEZ macht die Virtuelle Realität das Windloch erlebbar – jedoch macht das HEZ auch die Virtuelle Realität erlebbar, die eigens für das HEZ entwickelt wird. Hierzu besteht eine Forschungskooperation mit dem GameLab der TH Köln, weshalb auch noch keine fertigen Inhalte bestehen, sondern vor allem Optionen. Besonders wird sein, wie Dr. Philipp Bojahr von dem GameLab der TH Köln berichtete, dass das Windloch als Gruppe erkundbar sein wird – eine technische Herausforderung. Etwa vier Personen sollen sich gemeinsam in einem ca. 250 Quadratmeter großen Raum frei bewegen können, dabei in die Rolle von Höhlenforschern eintauchen und Aufgaben lösen. Hierzu stehen dann unterschiedliche virtuelle Werkzeuge zur Verfügung. Denkbar ist, dass beispielsweise eine Person eine Lampe hält und den anderen den Weg leuchten muss.
Viele technische Hürden sind hierbei zu meistern; Nicht zuletzt, weil eine über 8.500 Meter lange Höhle auf 250 Quadratmetern abgebildet werden muss, während sich gleich vier Personen frei bewegen und miteinander interagieren. Gleichzeitig müssen die Aufgaben lösbar und die Steuerung intuitiv genug sein, um möglichst alle Menschen, die diese Erfahrung mitnehmen möchten, gleich anzusprechen. Mittels verschiedener kognitiver Kniffe und einiger, für Laien schwer verständlicher technischer Neuheiten soll dies alles möglich gemacht werden – Innovationen, die zugleich die Grenzen und Möglichkeiten der Virtuellen Realität zeigen. Auch Lösungen für Personen mit eingeschränkter Mobilität werden erarbeitet, weitere barrierearme Optionen geprüft.
Ein weiterer Punkt, der für die VR im HEZ spricht, ist, dass neue Erkenntnisse in neuen Szenarien innerhalb der VR wiedergegeben werden können. Da die Forschung im Windloch nicht abgeschlossen ist, könnte dies für die Zukunft des HEZ auch von besonderer Bedeutung sein.
Die Aggertalhöhle: Das reale Höhlenerlebnis
Neben den technischen Möglichkeiten und Exponaten soll es auch die Option geben, eine reale Höhle zu erleben: Die Aggertalhöhle. Im Gegensatz zu dem Windloch ist sie bereits 1773 entdeckt worden, weshalb aus wissenschaftlicher Perspektive einer Öffnung für die Öffentlichkeit nichts im Wege steht; Im Verlauf der Zeit war sie schon lange in Führungen begehbar und diente im 2. Weltkrieg auch als Luftschutzbunker.
Durch die lange Zeit, in der Menschen bereits die Aggertalhöhle erkunden, ist sie im wissenschaftlichen Sinne bei weitem nicht so interessant wie das unberührte, natürliche Windloch. Besucherinnen und Besuchern bietet sie jedoch eine authentische Höhlenerfahrung. Entstanden ist sie vor etwa 387 bis 382 Millionen Jahren. Nun kann man hier Fossilien in den Wänden entdecken und erahnen, welche Kräfte notwendig waren, um solche Höhlen überhaupt entstehen zu lassen.
Während der Wintermonate muss die Aggertalhöhle jedoch geschlossen bleiben, um den hier heimischen Fledermäusen den notwendigen Rückzugsort zu bieten. Besonders im Hochsommer kann die Aggertalhöhle mit ihren niedrigen Temperaturen jedoch auch eine angenehme Abkühlung darstellen.
Der Außenbereich rund um das HEZ
Mit dem HEZ soll die Arbeit rund um das Windloch noch nicht abgeschlossen sein; Der Höhlenweg, der auch schon im Magazin LandMomente als Wandertipp hervorgehoben wurde, gilt bereits als einer der beliebtesten Wanderwege in der Region. Attraktiver gestalten könnte man die Umgebung allerdings auch mit einem Höhlenspielplatz, der unterschiedliche Thematiken aufgreift. Im angrenzenden Gelände soll außerdem der sogenannte “Urwald für morgen” entstehen, ein rund 48 Hektar großes Waldgebiet, das sich selbst überlassen werden soll.
Bei Höhle und Urwald lassen sich natürliche Einflüsse gut von klein auf erforschen – so ist also der Plan, hier Umweltbildung zu betreiben, nicht verwunderlich. Als außerschulischer Lernort können Kinder und Jugendliche nicht nur aus der Region, sondern auch überregional Natur in Vergangenheit und Zukunft auf eine neue Art und Weise kennenlernen und ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Umweltschutz entwickeln. Das passt auch in das Gebäudekonzept des HEZ; Dieses soll ein “smartes” Gebäude werden, möglichst CO2-neutral und in den Naturraum eingefasst.
Doch damit noch nicht genug: Man könnte sich zum Beispiel eine App vorstellen, die den Höhlenweg mit dem HEZ verbindet und die verschiedenen Informationen aufgreift. In diesem Zusammenhang wäre auch ein Online-Ticketing möglich, sowie weitere Anlaufstellen in Engelskirchen und Umgebung.
(Erhoffte) Wirkung auf die Region
Gemeinde, Kreis und Tourismusverband scheinen sich einig: Das HEZ, das die nah und fern aufgekommene Neugier auf das Windloch stillen soll, würde eine positive Wirkung auf die Region entfalten. Erwartet wird beispielsweise, dass die Gastronomie profitieren wird, aber auch Einzelhandel und das weitere Gastgewerbe. Die Nähe zu Bahnhof und Autobahn lassen erwarten, dass sich viele Menschen für einen Besuch entscheiden. Frank Herhaus, Dezernent des Oberbergischen Kreises, betonte, man könne ein wirkliches Highlight für die Region schaffen. Entscheiden sich Menschen für einen Besuch des HEZ oder gar einen Kurzurlaub, profitieren davon selbstredend auch die umliegenden Städte und Gemeinden.
Dass sich der gesamte Aufwand auch lohnen muss, zeigt allein der Preis: Mit Kosten in Höhe von etwa sieben Millionen Euro wird gerechnet. Da eine einzelne Gemeinde solche Ausgaben jedoch eher schlecht als recht allein stemmen kann, wird an entsprechenden Fördermitteln gearbeitet. Bei allen Überlegungen habe stets die Qualität oberste Priorität eingenommen, so Bürgermeister Dr. Gero Karthaus. Die Einrichtung könne nur von Dauer sein, wenn auch Qualität da sei; Es handele sich nicht um eine Lösung “von der Stange”.
Wann kann mit einer Eröffnung gerechnet werden?
In der Kurzfassung: Frühestens 2025. Sofern der Rat der Gemeinde Engelskirchen heute Abend zustimmt, kann begonnen werden Fördermittel zu beantragen. Im Optimalfall bestehe dann bis Ende des Jahres Klarheit über die finanziellen Mittel, Anfang 2023 könnte die konkrete Planung beginnen, Ende 2023 dann die Grundsteinlegung. Eine Eröffnung 2025 ist somit der Optimalfall.
Autorin: Amei Schüttler