Gummersbach– anlässlich der schon in 9 Tagen anstehenden Bundestagswahl fand gestern Abend im gummersbacher Gebäude der IHK Köln eine Podiumsdiskussion namens „Wahlprüfsteine“ statt, zu der die Wirtschaftsjunioren Oberberg e.V. (WJ) die Bundestagskandidaten der derzeit im Bundestag vertretenen Parteien aus dem Oberbergischen Kreis als Diskussionsteilnehmer einluden.
So ließen sich Michaela Engelmeier-Heite, SPD, Klaus- Peter Flosbach, CDU, Jörg von Polheim, FDP, Andreas Schmitz, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und Axel Hofmann, DIE LINKE, vor einem recht kritischen Publikum auf den Prüfstand stellen.
Nach einer persönlichen Vorstellungsrunde sollten die Kandidaten ihre politischen Schwerpunktsetzungen im Falle einer für sie erfolgreichen Wahl darlegen.
„Mehr bewegen,“ wolle FDP- Kandidat von Polheim mit dem liberalem Gedankengut. Seiner Meinung nach solle die Politik die Kommunen verstärkt im Blickpunkt behalten. Es sei wichtig, die Stadt, in der man wohne, „nach vorne“ zu bringen. Dies würde außerdem der Politikverdrossenheit der Bürger entgegenwirken, da diese sich mehr an der Politik beteiligen würden, wenn es den Städten und Gemeinden besser ginge. Neben dem weiteren Schwerpunkt Bildung sei es außerdem sein Anliegen, Bürokratie zu vermindern: „Bürokratie lähmt und kostet Geld“, so von Polheim. Sie wirke sich negativ auf das Wirtschaften aus, da die Zeit auf Fragebögen u.ä. „draufginge“.
„Lokal handeln, global denken,“ so äußerte Andreas Schmitz den Leitspruch der BÜNDNIS 90/GRÜNEN auch als seinen eigenen. Darüber hinaus sei er als Kandidat „gegen eine Wirtschaftspolitik, die die sozialen und ökologischen Aspekte unbeachtet lässt.“
„Ich möchte für den Oberberg mehr erreichen!“, so erläuterte SPD- Abgeordene Engelmeier-Heite, die außgesprochen selbstbewusst und präsent wirkte, ihren plakatierten Wahlspruch „Mehr Oberberg in Berlin“. Des Weiteren wolle sie die „Sozialpolitik mehr einbringen“ und legte insgesamt den Ton stark auf kostenlose Bildung und Mindesteinkommen. Ihr Interesse bestünde darin, dass Familien und Menschen jeder Altersklasse im Oberberg eine gute Lebensgrundlage haben.
Anschließend gaben die Moderatoren Hendrik Pilatzki, Kreissprecher WJ, und Nadine Köster, Projektleiterin WJ, die Themen Bildung, Wirtschaft und Vereinbarkeit von Familie und Beruf zur Debatte frei.
Engelmeier- Heite und Hofmann drückten sich klar und deutlich für eine kostenfreie Bildung aus. Besonders die SPD- Kandidatin legte über die ganze Debatte verteilt den Ton stark auf kostenlose Bildung: „Jeder Mensch in unserem Land muss kostenlose Bildung bekommen.“ Einige Familien könnten sich kostenpflichtige Bildung zwar leisten, aber man könne von einem wenig Geld verdienendem Mann nicht erwarten, sich leisten zu können, für Kindergarten, Schule und Studium bezahlen zu können. Sie setze sich für Bundesmittel für die Bildung ein, damit alle Kinder die gleichen Startchancen haben. „Ich würde auf 9 Milliarden Rüstung verzichten und sie in die Bildung stecken“, so Hofmann, der oft Vergleiche mit der Bildungs- und Wirtschaftspolitik aus anderen Ländern herstellte, was das Podiumspublikum nicht gefiel und unruhig machte.
Die CDU und FDP- Kandidaten ließen diese Forderung an den Staat unkommentiert und gingen näher auf Verbesserungsmöglichkeiten innerhalb den Bildungseinrichtungen ein. So betonte Polheim beispielsweise den positiven Effekt von Praktika. Der Schüler/die Schülerin lerne dabei, in einem Unternehmen zurechtzukommen und merke, wofür er lernt.
Das von den GRÜNEN gewolle Konzept der „Schule für alle“ kommentierte Flosbach mit der Ansicht, dass die Debatte um eine Veränderung des Schulsystems unnötig sei. Stattdessen soll man sich auf eine bessere Förderung der Schüler durch mehr Lehrer und mehr Ganztagsschulen konzentrieren. Das wichtigste für alle Kinder sei es, „mitzukommen“. Es dürfe nicht der Fall sein, dass die Schulbildung von den Eltern „vererbt“ wird. „Wer nicht mitkommt, braucht eine individuelle Förderung“, so Flosbach.
Derweil kritisierte Schmitz, BÜNDNIS 90/GRÜNEN, die Föderalismusreform in der Bildungspolitik. Der Staat habe die klare Verantwortung, einen Bildungsrahmen zur Verfügung zu stellen. Das Ergebnis würde sein, dass so mehr am Schüler gearbeitet werden kann. Als Berufsschullehrer machte er zudem auf das Problem der Schüler ohne Abschlüsse aufmerksam, worauf DIE LINKE- Kandidat Axel Hofmann zustimmend kommentierte: „Es ist der größte Skandal, dass wir Schüler ohne Schulabschluss verabschieden. Die können nicht alle Pizzabäcker werden.“
Beim Thema Wirtschaft prallten die politischen Ansichten aufeinander, als es hieß: Mindestlohn und Managergehälter.
Während Engelmeier-Heite nochmals klar Stellung bezog, indem sie sagte, es sei unanständig, dass Mütter für 3 Euro die Stunde arbeiten. „Mindestlohn ist für mich eine Moralfrage“, so die SPD- Politikerin. Flosbach blieb auch hierbei eher zurückhaltend und still. Wohingegen Polheim ihr mit der Frage entgegnete, was ein Unternehmer tun soll, wenn es sich für seine Firma nicht mehr rendiert. Statt einen Mindestlohn sei er für ein staatliches Mindesteinkommen. Der Staat dürfe nicht in private Unternehmen eingreifen- auch wenn es um Managergehälter ginge.
Eine weitere präzise Antwort, die ausblieb, gehörte zu einer Frage aus dem Publikum. Sie ging an Hofmann, DIE LINKE: Wie soll sich ein Unternehmen einen Mindestlohn von 10 Euro leisten?
Das Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nahm weniger Zeit im Diskurs als die Streitthemen Mindestlohn und Managergehälter. Nachdem Engelmeier- Heite beteuerte, es müsse einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz geben und die Elternzeit solle verlängert werden, gab CDU- Politiker Flosbach zu bedenken, dass es „das Schlimmste“ für Frauen sei, nach dem Erziehungsurlaub nicht wieder adäquat eingestellt zu werden.
Gegen Ende der Debatte fragte Moderator Pilatzki die Kandidaten nach ihren „Wunschpartnern“ im Falle einer Koalition. Kurze Antwort der FDP: CDU. Dem stimmte Flosbach zu: „Wir sollten jetzt den Weg mit der FDP suchen.“ Engelmeier-Heite hielt den ehrlichen Wunsch einer Alleinregierung ihrer Partei, doch wenn es zu einer Koalition käme, so wären DIE GRÜNEN ihr „am liebsten“. Die letzte Aussage aus der Runde kam von GRÜNE- Politiker Schmitz: „Ich kämpfe für Grüne Inhalte und fertig.“
Artikel von Tuba Sarica