Begegnung der Religionen: Integration durch persönliche Kontakte
Christen und Muslime aus dem Oberbergischen Kreis haben sich zu einem Abend der Begegnung getroffen, um über Fragen des gelingenden Zusammenlebens zu sprechen. Im Kirchsaal der Evangelischen Gemeinde Müllenbach-Marienheide trafen sich rund 30 Vertreter aus oberbergischen Moscheegemeinden, evangelischen und katholischen Kirchengemeinden, des Kirchenkreises An der Agger und des Kreisdekanats sowie der Oberbergischen Gesellschaft für christliche-jüdische Zusammenarbeit.
Kirchenkreis/Marienheide – Wer Integration und ein friedliches Zusammenleben der Religionen und Kulturen fördern möchte, sorgt am besten aktiv für persönliche Begegnungen und direkte Kommunikation. Darüber waren sich die Vertreter aus muslimischen Moschee- und Kulturvereinen und Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche einig beim zweiten interreligiösen Begegnungsabend. Wer sich persönlich kennt, kann miteinander auch Probleme besprechen und Verständnis für Fremdes entwickeln. Direkter Kontakt in der Nachbarschaft und am Arbeitsplatz sei für Integration noch wichtiger als Sprachkurse.
Ein gutes Beispiel für direkte Kommunikation war der Begegnungsabend selbst: In freundschaftlicher, offener Atmosphäre sprachen die rund 30 Männer und Frauen im Marienheider Kirchsaal der Evangelischen Kirchengemeinde Müllenbach-Marienheide über ihre Erfahrungen im Miteinander der Religionen und ihre Ideen zur Integration von Flüchtlingen. Zum zweiten Mal hatten sich die Religionsvertreter auf Einladung der evangelischen und der katholischen Kirche verabredet. „Wir sitzen hier und lachen. Mehr Integration geht doch gar nicht“, sagte Recep Özgül aus Bergneustadt. „Ich würde mir aber noch mehr Dialog wünschen.“
Es gibt viele Bespiele für gelingende Begegnungen zwischen christlichen und muslimischen Gemeinden in Marienheide, Wipperfürth, Wiehl, Gummersbach, Waldbröl und Engelskirchen. Die Liste ist lang. Es gebe Einladungen zu Gottesdiensten, zum Fastenbrechen und zum Opferfest; die Interkulturelle Woche im September wird gemeinsam gestaltet und jedes Jahr am 3. Oktober beteiligen sich die oberbergischen Moschee am bundesweiten Tag der Offenen Moschee. Führungen in Kirchen und Moscheen helfen, Ängste abzubauen“, sagte Kai Berger, Pfarrer der Kirchengemeinde Müllenbach-Marienheide. Das Internationale Frauencafé in Wiehl ist ein fester Bestandteil im Gemeindeleben. Ganz selbstverständlich sei das Zusammenleben in Kindergärten, Schulen, in Vereinen und am Arbeitsplatz. Pfarrer i. R. Peter Hennecke aus Wipperfürth berichtet von einer geplanten gemeinsamen Fahrt nach Duisburg-Marxloh, um dort die Moschee zu besuchen.
Als selbstverständlich und abgeschlossen sehen die Muslime ihre Integration an. „Ich arbeite seit 25 Jahren in meinem Betrieb“, sagte Muammar Zurnaci aus Wipperfürth. Eine Kollege habe ihn gefragt, wie weit er am Arbeitsplatz integriert sei, da habe er sich schon sehr gewundert. „Eine solche Frage ist auch verletzend.“ Özgül Recep aus Bergneustadt bestätigte das. „Wir leben seit Jahren in Bergneustadt. Wenn mit mir jemand über die Integration meiner Kinder sprechen will, kann ich nur sagen: Meine Kinder sind voll integriert.“ In der Schule, beim Sport, bei Geburtstagen, in der Nachbarschaft finden selbstverständliche Begegnungen statt. Auch wenn im Islam eigentlich keine Kindergeburtstage gefeiert würden, nähmen die türkischen Kinder gerne Einladungen von Mitschülern an und sprächen auch selbst Einladungen aus.
Wo Erwachsenen die Orte der Begegnung fehlen, gibt es eher Schwierigkeiten, mehr Vielfalt in der Gesellschaft zu akzeptieren. Vorurteile wachsen da, wo man sich nicht kennt. Deshalb müsse immer wieder gegenseitig eingeladen werden, sagte Abdullah Ulay aus Bergneustadt. Zurzeit würden Ängste und Verunsicherungen in der Gesellschaft durch die Medien stark geschürt, bedauerte Ulay.
Aufklärung und direkter Kontakt tue immer wieder not, befand Monika Höhn aus Wiehl, Mitglied der Steuerungsgruppe der Interkulturellen Woche. Eine türkische Mutter im langen Schador müsste auch einmal in eine Klasse kommen können zum Kennenlernen, schlug sie vor. Den Wiehlpark nannte sie als Beispiel für einen Ort, an dem Menschen Vielfalt genießen könnten. „Das ist ein internationaler Park, wo Menschen froh und friedlich feiern.“ Viele Ältere fühlten sich aber ausgeschlossen, wenn sie fremdländische Familien beim Grillen sähen. „Da kann nur eine Einladung helfen.“
Integration von Flüchtlingen als gemeinsame Aufgabe
Pfarrer Jürgen Knabe, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises An der Agger, und Kreisdechant Christoph Bersch hatten die Teilnehmenden des Begegnungsabends begrüßt. Viel sei in den letzten zwölf Monaten seit dem ersten Begegnungstreffen passiert. Neben den großen Herausforderungen durch die Flüchtlingssituation auch im Oberbergischen habe es persönliche Begegnungen und eine Vertiefung von Kontakten zwischen Moscheen und christlichen Gemeinden gegeben, sagte Jürgen Knabe.
Zum Thema der Integration von Flüchtlingen in die Gemeinden sagte Knabe: „Die Integration derjenigen, die erst ein halbes Jahr da sind, beschäftigt uns im Moment sehr.“ In seiner Kirchengemeinde in Wiehl-Marienhagen gebe es regelmäßige Treffen mit den rund 30 Menschen aus Syrien und anderen Ländern zum Kochen, Reden und gemeinsamen Vorbereiten von Festen. „Da wird auch mit angepackt, beim Schleppen von Bänken zum Beispiel. Da ist auch schon ein Stück Gemeinschaft gewachsen.“
Zusammenarbeit als beste Integration
Frank Norbeteit, Vertreter der Oberbergischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, hat einen Sprachkurs für Menschen aus Eritrea geleitet. Die Sprache zu lernen sei wichtig, danach müsse der Übergang in einen Beruf oder eine Arbeitsstelle von beiden Seiten funktionieren. In Waldbröl und Wipperfürth werden Flüchtlinge in 1-Euro-Jobs eingestellt. Pfarrer Jochen Gran lobte diese Maßnahme: „Zusammenarbeiten ist die beste Integration.“
Nähe zu den christlichen Gemeinden gibt es auch in anderen Kommunen: In Engelskirchen finden die Treffen des Flüchtlingshilfevereins im evangelischen Gemeindehaus statt. Einstimmig habe sich das Presbyterium dafür ausgesprochen, erzählte Pfarrer Johannes Vogelbusch erfreut. In Gummersbach gibt es den Lotsenpunkt der katholischen Kirche als Anlaufstelle in allen Notlagen, berichtete Kreisdechant Bersch.
Wie wichtig persönliche Ansprache ist, berichtete auch Eda Sengöl, türkischstämmige Lehrerin für Geschichte und Philosphie am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Wiehl. Sie leitet die 17-köpfige Willkommensklasse. Bei ihr könnten die Schüler Fragen, die sich im regulären Unterricht ergeben, stellen. Um den Eltern einladend begegnen zu können, hat Eda Sengöl an der Volkshochschule einen Arabisch-Kurs absolviert. „Das Sprechen ist gar nicht so schwer.“ Und eine Begrüßung in Muttersprache habe beim ersten Elternabend sofort das Eis gebrochen.
Ein Ergebnis des Abends ist die Planung eines gemeinsamen Friedensgebets, das Pater Rego Robert aus Marienheide vorschlug. Er selbst stammt aus Indien. Sein Votum lautet: „Integration geschieht durch Respekt und Achtung vor dem Anderen.“ Dass unterschiedliche Essgebräuche trennend sein könnten, ließ er nicht gelten: „Integration ist keine Frage des Essens. Wenn ich Gäste einlade, habe ich für jeden etwas da, was er essen kann. Sei er ein Vegetarier oder ein Moslem.“
Interreligiöser Kalender
Der erste Begegnungsabend hatte erstmals im Juni 2015 in Bergneustadt-Hackenberg stattgefunden. Das nächste Treffen in großer Runde ist für den 14. September 2017 in der DITIB-Gemeinde in Wipperfürth geplant. Bis zum nächsten Treffen soll der Beitrag der Religionen zum Frieden beraten werden.
Um die Begegnungen bis dahin langfristig planen zu können, ist ein Interreligiöser Kalender für den Oberbergischen Kreis in Arbeit.