Der Wandel des Weihnachtsfestes im Bergischen Land
Von Jahr zu Jahr erhöht sich die Zahl der Adventsveranstaltungen, werden die Weihnachtsmärkte bunter und größer und die Hinweise rechtzeitig an die Weihnachtsgeschenke zu denken, erreichen uns bereits im Spätsommer. Die Umsatzzahlen an Weihnachten sind ein Indikator für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und die Stimmungslage der Bevölkerung. Der Blick zurück in die Vergangenheit zeigt hier ein völlig anderes Bild.
Das kirchliche Weihnachtsfest mit der Fastenzeit im Advent und dem feierlichen Gottesdienst am Heiligabend entwickelte sich im Mittelalter. Viele gesellschaftliche Veränderungen während des 19. Jahrhunderts führten zur Herausbildung der heutigen Form des Weihnachtsfestes als Familienfest. Durch die Entstehung der Industriegesellschaft und den Strukturwandel der Familie hin zur privaten bürgerlichen Kleinfamilie veränderte sich auch die Ausrichtung des Weihnachtsfestes.
Aus der religiös bestimmten Feier wurde ein Beisammensein der Familie. Der 24. Dezember ist heute „der“ Tag für Geschenke und ein Festessen. Noch bis um 1900 hatte der Heilige Abend gerade für die katholische Bevölkerung in den ländlichen Gebieten des Bergisches Landes eine ganz andere Bedeutung: Er wurde als ein Fastentag vor einem hohen Feiertag angesehen. Die Menschen arbeiteten bis abends, erst danach erledigten sie die letzten Vorbereitungen für das Weihnachtsfest. Man ging zeitig zu Bett, schließlich begann die Christmesse in den frühen Morgenstunden des 1. Weihnachtstages. Erst dann gab es die Bescherung für die Kinder. Aus heutiger Sicht waren die Geschenke bescheiden und praktisch ausgewählt. Auf dem Gabentisch fanden sich selbstgemachte Kleidungsstücke, Nüsse, Äpfel und einfaches Spielzeug. Allenfalls die Kinder der reicheren Familien erhielten wertvollere Geschenke.
Ab den 1860er Jahren finden sich erste Hinweise, dass es stimmungsvolle Weihnachtsfeiern gab. So feierte man am 25. Dezember 1865 erstmals das Weihnachtsfest in der neu erbauten Schule in Waldbröl-Hermesdorf. Kerzen erleuchteten den Raum, der große Schulsaal war mit Kränzen geschmückt und über 100 Kinder und Erwachsene drängten sich in den Raum, sangen gemeinsam Weihnachtslieder, Schulkinder trugen Gedichte vor.
Das Aufstellen und Schmücken von Weihnachtsbäumen war bis dahin in den ländlichen Gemeinden noch weitgehend unbekannt. Nur einige adelige oder bürgerliche Familien schmückten damit bereits ihre Häuser. Weit verbreitet war der Brauch, sich am Barbaratag, dem 4. Dezember, kahle Zweige von Obstbäumen ins Wasser zu stellen, die bis Weihnachten aufblühten. Ab 1880 kamen dann auch auf dem Land immer mehr Familien hinzu, die ihre Räume mit Weihnachtsbäumen schmückten. Zunächst wurden diese mit essbarem Schmuck behängt. Den durften die Kinder einige Tage später naschen. Statt teurer Kerzen verwendete man Walnussschalen mit Rüböl oder Hammelfett als rußenden Lichterschmuck. Erst das Aufkommen von billigeren Stearinkerzen und Kerzenhaltern sorgte für mehr Sicherheit hinsichtlich der Brandgefahr.
Zu den Feiertagen gehörte für viele Familien auch eine besondere Mahlzeit. Nach der vorweihnachtlichen Fastenzeit freute man sich über ein reichhaltiges Festessen. Es war eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen frisches Fleisch auf den Tisch kam, da traditionell auf dem Land vor Weihnachten geschlachtet wurde. In vielen Familien servierten die Frauen am ersten Weihnachtstag Grünkohl mit Bratwurst und am zweiten Wintergemüse mit Kartoffeln und Schweinebraten. Ärmere Familien waren froh, überhaupt eine warme Mahlzeit zubereiten zu können.
Auch das Backen war bis weit ins 19. Jahrhundert hinein etwas ganz Besonderes – Süßigkeiten gab es sehr selten und Schokolade war ein Luxusgut, das sich nur wenige Familien leisten konnten. In der Winterzeit waren frische Eier rar, sie wurden gesammelt und in Kalk- oder Natronwasser in Steinzeuggefäßen länger haltbar gemacht und so für die Weihnachtsbäckerei aufgehoben. 1891 entwickelte der Bielefelder Apotheker Dr. Oetker das Backmittel Backin und vereinfachte so den Backvorgang. Gewürze wie Stangenzimt, Kardamom, Pottasche und Hirschhornsalz waren teuer und konnten grammweise in Apotheken erworben werden.
Während der erste Feiertag vornehmlich zu Hause verbracht wurde, galt der zweite Weihnachtstag als Ausgeh- und Besuchstag. In vielen Orten fanden Konzerte, Krippenspiele und Tanzveranstaltungen statt, viele Gastwirte in Wuppertal, Gummersbach oder Bergisch Gladbach luden zu Kaffeegesellschaften und Tanz ein.
Wer sich einen anschaulichen Überblick zum Wandel des Weihnachtsfestes machen möchte, kann dies im LVR-Freilichtmuseum Lindlar erleben. Bei der Veranstaltung „Advent im Museum“ am 11. Dezember 2016 versetzen Laternen am Wegesrand das Museum in eine besinnliche, vorweihnachtliche Stimmung. Diese lädt dazu ein, durch das Museumsgelände zu schlendern und in den historischen Gebäuden verteilte Stände von über 60 Ausstellerinnen und Ausstellern zu entdecken.
Einige historische Stuben im Museum sind weihnachtlich dekoriert und veranschaulichen den Wandel des Weihnachtsfestes zwischen 1800 und 1960. Die dekorierten Wohnstuben sind noch bis zum 8. Januar 2017 im Freilichtmuseum zu sehen. Das Freilichtmuseum ist täglich (außer Mo.) von 10 bis 16 Uhr geöffnet und nur Heiligabend, 1. Weihnachtsfeiertag, Silvester und Neujahr geschlossen. Am 2. Weihnachtsfeiertag ist das Museum geöffnet.