In der Sitzung am 3. April soll der Kreistag des Oberbergischen Kreises den Landschaftsplan Nr. 10 „Wiehltalsperre“ als Satzung beschließen. In einen Teilbereich dieses Landschaftsplanes fallen auch die Errichtung einer Forensischen Klinik bei Reichshof-Langenbach und die Ausweisung von Vorrangflächen für Windenergieanlagen zwischen Reichshof-Eichholz und Morsbach-Wendershagen. „Beide Vorhaben verstoßen gegen den Artenschutz und dürfen damit aus rechtlichen Gründen nicht weiterverfolgt werden“, zu diesem Ergebnis kommt der Vertrauensmann für Vogelschutz Christoph Buchen aus Morsbach in seinem 110-seitigen Gutachten, dass er kürzlich der nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerin Barbara Steffens, dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) in Recklinghausen und Landrat Hagen Jobi zugeschickt hat.
Der Naturwissenschaftler hat seine 46 Jahre langen Beobachtungen und Aufzeichnungen ausgewertet und in der Dokumentation mit dem Titel „Geschützte, planungsrelevante und verfahrenssensible Tierarten von überregionaler Bedeutung (Großes Mausohr, Bechsteinfledermaus, Großer Abendsegler, Kleiner Abendsegler, Schwarzstorch, Rotmilan und Kranich) bei der Errichtung einer Forensischen Klinik und bei der Ausweisung von Vorrangflächen für Windenergieanlagen durch die AggerEnergie und Partner – Eine naturwissenschaftliche Arten-Bestandsaufnahme der Jahre 1967 bis 2013“ zusammengefasst. Die Arbeit wird ergänzt durch 105 Fotos, Diagramme und Karten.
In dem Fazit des Ornithologen Christoph Buchen heißt es am Ende seines Gutachtens u.a.: „Den geplanten Vorhaben „Bau einer Forensischen Klinik“ und „Ausweisung von Vorrangflächen für Windenergieanlagen“ stehen die Vorkommen und Interessen der vorgenannten sieben Tierarten entgegen. Die Arten würden durch diese Anlagen in ihrem Lebensraum beeinträchtigt, und es wäre in der Zukunft ein negativer Trend auf die Bestandssituation der Arten wahrscheinlich.“ Christoph Buchen begrüßt die Aufstellung des Landschaftsplanes Nr. 10 „Wiehltalsperre“.
So ist das Große Mausohr eine Fledermausart (FFH-Art) von europäischer Bedeutung, hat u.a. im Bergischen Land seine nordwestliche Verbreitungsgrenze in der Bundesrepublik Deutschland und überwintert im Morsbacher Bergland und auch im Aubachtal bei Wildbergerhütte, d.h. im Bereich des Planungsgebietes. Durch Ringablesungen konnte festgestellt werden, woher die überwinternden Großen Mausohren kommen. Die Art hat im rechtsrheinischen Schiefergebirge überregional einen großen Aktionsraum, vom Aggertal bei Gummersbach im Norden bis südlich an die Lahn, mit mehreren vernetzten Teillebensräumen, u.a. das Planungsgebiet. Das Große Mausohr hat im Planungsgebiet im Spätsommer sein traditionelles Paarungsgebiet.
Die Bechsteinfledermaus ist ebenfalls eine Fledermausart (FFH-Art) von europäischer Bedeutung und hat auch seine nordwestliche Verbreitungsgrenze im Bereich des Bergischen Landes. Der erste Winterquartiernachweis der Bechsteinfledermaus für das gesamte Bergische Land stammt aus der Gemeinde Morsbach, wo die Art von 1990 bis heute immer wieder regelmäßig nachgewiesen werden konnte. Eines der Winterquartiere liegt in der Nähe des Planungsgebietes, weitere Winterquartiere mit Bechsteinfledermaus-Besatz schließen sich südlich an. Bei einem Netzfang ist auch im Sommer eine Bechsteinfledermaus in der Region nachgewiesen worden. Daher sollte das waldreiche Planungsgebiet noch weiter intensiv auf das Vorkommen der Bechsteinfledermaus untersucht werden.
Der Große Abendsegler ist ein Fernstreckenwanderer. Ein verendetes beringtes Männchen ist in der Nähe des Planungsgebietes gefunden worden. Im waldreichen Planungsgebiet und in seiner unmittelbaren Nachbarschaft sind jedenfalls mehrfach Große Abendsegler festgestellt worden. Das Planungsgebiet sollte daher intensiv auf das Vorkommen von Abendseglern untersucht werden, zumal bereits zahlreiche Spechthöhlen und Fledermauskästen vorhanden sind und die Voraussetzungen als Paarungs- und Überwinterungsstätten daher ideal sind.
Vom seltenen Kleinen Abendsegler liegen aus dem Planungsgebiet Vermehrungsnachweise vor. Dabei handelt es sich um die ersten Vermehrungsnachweise dieser Art für das Bergische Land. Außerdem wurde ein weiblicher Kleiner Abendsegler bei einer Netzfangaktion nachgewiesen. Für den Kleinen Abendsegler gilt das Gleiche, wie für den Großen Abendsegler: Das Vorkommen im Planungsgebiet sollte künftig intensiv untersucht werden.
Der Schwarzstorch erreicht in Nordrhein-Westfalen den nordwestlichen Rand seines Verbreitungsgebietes. Das Morsbacher Bergland und seine östlich angrenzenden Bereiche bilden seit den 1990er Jahren das Kerngebiet des noch in Ausbreitung befindlichen Brutvorkommens des Schwarzstorches im rechtsrheinischen Schiefergebirge. Die im Mittelsieg-Bergland, zu dem auch das Planungsgebiet zählt, in den Jahren 1991 bis 2012 dokumentierten Brutpaare und ermittelten Jungstörche werden zahlenmäßig in dem Gutachten aufgelistet. Brutverdacht bestand in dieser Zeit zudem für weitere 13 Bereiche. Aus jüngster Zeit sind eine Schwarzstorchbrut in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Munitionsdepots Langenbach und eine Brut aus dem Bereich der Wiehltalsperre bekannt.
Durch Nordrhein-Westfalen verläuft die nordwestliche Verbreitungsgrenze des Rotmilans in Deutschland. Die Art konzentriert sich gegenwärtig in den Mittelgebirgsregionen, so auch im Planungsgebiet. Die hiesige Region ist daher von überregionaler Bedeutung für den Schutz und Erhalt dieser Vogelart. Das Planungsgebiet und seine Randbereiche sind ein ideales Brut- und Nahrungsrevier für den Rotmilan. Es wurden aktuell Rotmilanbrutpaare für das Gebiet zwischen Reichshof-Eichholz/Erdingen, -Langenbach, Friesenhagen-Mohrenbach und Morsbach-Wendershagen/Korseifen bestätigt.
Christoph Buchen nimmt seit 2002 an der bundesweiten Rotmilankartierung teil, hat das Morsbacher Bergland jedes Jahr untersucht und seine Brutbeobachtungen regelmäßig an die Koordinatoren gemeldet.Dass Rotmilane oft Opfer von Windrädern werden, ist bundesweit hinreichend dokumentiert.
Das Morsbacher Bergland mit dem Planungsgebiet liegt genau in der Mitte der etwa 300 Kilometer breiten Zugstraße der Kraniche durch Westdeutschland. Christoph Buchen führt seit 46 Jahren jedes Jahr Buch über die Kranichzüge, die das südliche Bergische Land überfliegen bzw. hier rasten. In der Zeit von Herbst 1967 bis Frühjahr 2013 hat er mehrere tausend einzelne Kranichzüge für diese Region mit zusammen über eine halbe Millionen Kranichen dokumentiert. Jeder einzelne Kranichzug wurde akribisch mit Datum, Uhrzeit, Gemeinde, Gemeindeteil/Ort, Anzahl, Zugrichtung und besondere Verhalten (z.B. Rast) aufgeschrieben. Durch diese genaue Dokumentation konnte aus dem Datenmaterial auch die Zahl der über das Planungsgebiet ziehenden Kraniche herausgefiltert werden. Über das Morsbacher Bergland und somit auch über das Planungsgebiet sind von Herbst 1967 bis Frühjahr 2013 rund 43% aller im Bergischen Land beobachteten Kraniche gezogen. Diese Zahlen wurden auch in Relation zu den geschätzten Gesamtzahlen der westlich ziehenden europäischen Kranichen gesetzt. Die zwischen 1969 und 2012 erfassten Kranichrasten im Oberbergischen Kreis werden aufgelistet und teilweise mit Fotos belegt. Wie dokumentiert werden konnte, geraten Kraniche wetterbedingt bei schlechter Sicht hier auch schon mal in einen Zugstau, was die Vögel zum Tiefflug oder Rasten zwingt. Das Morsbacher Bergland mit dem Planungsgebiet ist daher ein wichtiger Trittstein und bedeutendes Überfluggebiet des westeuropäischen Kranichs. Hier könnten die geplanten 200 Meter hohen Windenergieanlagen sehr wohl eine Gefahr für die Kraniche darstellen, zumindest bei schlechter Sicht, die häufig im Frühjahr und Herbst im hiesigen Gebiet auftreten kann.
„Die Beeinträchtigung der biologischen Vielfalt von Arten mit überregionaler, europäischer Bedeutung ist durch den Bau neuer und höherer Windenergieanlagen (z.B. Eingriffe beim Ausbau der Zufahrten zu den Windrädern, Schlagopfer bei Fledermäusen und Vögeln, Lärm, Reflektionen und Schattenwurf durch Rotorblätter) und durch den Bau einer Forensischen Klinik (z.B. Lärm während der Bauphase; späteres, tägliches und hohes Verkehrsaufkommen durch zahlreiche Mitarbeiter, Besucher und Lieferanten; Störungen durch nächtliche Flutlichtanlagen) sehr wahrscheinlich“, so der Morsbacher Ornithologe Christoph Buchen.
Mit dem Landschaftsplan Nr. 10 (Wiehltalsperre) plant der Oberbergische Kreis, Teile des Aubachtales, des ehemaligen Munitionsdepots und der Siefener Höhe als Naturschutzgebiet auszuweisen. Dies ist schon seit Jahren fällig und, wie die faunistischen und floristischen Untersuchungen gezeigt haben, auch gerechtfertigt. Die geplanten Baumaßnahmen stehen diesen Schutzausweisungen entgegen und müssen, laut Christoph Buchen, daher aufgegeben werden. Er begrüßt die Aufstellung des Landschaftsplanes Nr. 10 „Wiehltalsperre“.
Christoph Buchen kartiert seit 1967 die Tier- und Pflanzenwelt des Morsbacher Berglandes und der Nachbarbereiche in der Gemeinde Reichshof. Er ist seit 1974 Vertrauensmann für Vogel- und Artenschutz der (damals) Staatlich anerkannten Vogelschutzwarte NRW (heute LANUV), seit 1969 Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Ornithologengesellschaft, seit 1988 stellvertretender Vorsitzender des Ortsvereins Morsbach im Naturschutzbund Deutschland (NABU) und seit Jahren Mitglied in mehreren landes- und bundesweiten Arbeitskreisen zur Erfassung der heimischen Fauna und Flora.