Bergneustadt – In der Sitzung des Stadtrates am gestrigen Mittwoch (30.08.2022) kam durch einen Antrag der SPD-Fraktion ein eher ungewöhnliches Thema auf die Tagesordnung. Zur Abstimmung stand der Beschluss: “Die Stadt Bergneustadt hält an ihren weiterführenden Schulen kostenlose Menstruationsprodukte für die Schülerinnen der jeweiligen Schulen vor”. Tanja Bonrath stellte den Antrag für ihre Fraktion vor: Beispielsweise in Schottland ist es inzwischen Gesetz, dass kostenlose Menstruationsprodukte wie etwa Tampons oder Binden in öffentlichen Gebäuden und Schulen zur Verfügung stehen müssen. Auch in Deutschland wurde dieses Konzept an verschiedenen Orten getestet, beispielsweise in Düsseldorf.*
Frau Bonrath betonte, es sei nicht offensichtlich, aber die sogenannte “Periodenarmut” existiere auch in Bergneustadt. Das heiße, dass sich nicht alle Frauen Tampons, Binden oder andere Menstruationsprodukte leisten können. Zudem bestehe die Möglichkeit, die benötigten finanziellen Mittel nicht durch die Stadt aufzubringen, sondern aus Gesundheitsfonds zu beziehen. In der darauffolgenden Diskussion wurden verschiedene Aspekte des Themas beleuchtet, die auch in anderen Städten bereits ausgiebig debattiert wurden.
Mögliche missbräuchliche Nutzung von Menstruationsprodukten?
Aus den Schulen hieß es, man befürchte eine missbräuchliche Nutzung der zur Verfügung gestellten Artikel. Dieser Einwand bekam Unterstützung von Reinhard Schulte (Fraktionsvorsitzender der CDU), der einen Missbrauch der Produkte als “sicher” ansah. Daniel Grütz (Fraktionsvorsitzender der SPD) rief dazu auf, Schüler nicht wie üblich unter Generalverdacht zu stellen, Jonathan Gauer (CDU) sprach sich ebenfalls dagegen aus.
Nachhaltige Alternativen zu Tampons und Binden
Jonathan Gauer (CDU) brachte ein, dass zur Verfügung stehende Einwegprodukte (Tampons, Binden) dazu führen könnten, dass sich die Schülerinnen nicht mit nachhaltigeren Methoden auseinandersetzen. Zudem entstehe mehr Müll. Man könne allerdings ein Körbchen mit Menstruationsprodukten hinstellen, um es einmal auszuprobieren. Tanja Bonrath (SPD) stimmte ihm hierbei zu, die Grundversorgung mit entsprechenden Artikeln hatte ihrer Ansicht nach jedoch den Vorrang. Sie schlug vor, eventuell Vorträge für Schülerinnen zu der Thematik anzubieten.
Kostenlose Menstruationsprodukte in der Schule: „Absurd” oder Teil der „Grundversorgung”?
Fachbereichsleiterin Claudia Adolfs fragte für die Stadtverwaltung in Schulen und Elternschaft nach dem Sachverhalt. An jeder Schule gibt es im Sekretariat auf Anfrage der Schülerinnen kostenlose Produkte, daher bestehe kein Bedarf.
Daniel Grütz (Fraktionsvorsitzender der SPD) bemängelte, dass die entsprechenden Produkte ausschließlich für den Notfall gedacht seien, nicht für den regulären Bedarf. Zudem sei die Hemmschwelle, im Sekretariat zu fragen, zu hoch, gerade weil sich dort zumeist auch weitere Personen aufhielten. Die Schulen sollten gemäß des Antrags entscheiden, an welcher Stelle die Schülerinnen ohne Schwierigkeiten an die kostenfreien Menstruationsprodukte gelangen würden. Klopapier und Papiertücher seien als Hygieneprodukte ebenfalls frei zugänglich, darum sollten auch Menstruationsprodukte zur Verfügung stehen.
Heike Schmid (CDU) bemängelte, dass es keine städtische oder schulische Aufgabe sei, Schülerinnen mit Menstruationsprodukten auszustatten. Zudem sei die Hemmschwelle, die Artikel aus einem Automaten zu ziehen, nicht wesentlich geringer als im Sekretariat. Reinhard Schulte (Fraktionsvorsitzender der CDU) stimmte darin mit ihr überein. Er bezeichnete die Debatte als „absurd“.
Tanja Bonrath (SPD) stellte klar, dass es nicht um Produkte gehe, die mal vergessen wurden, sondern um diejenigen, die sich Menstruationsprodukte allgemein nicht leisten könnten, daher gerade um einkommensschwache Familien mit vielen Kindern. „Es geht darum, das Thema aus der Schmuddelecke herauszuholen und eine Grundversorgung für alle herzustellen”, so Bonrath.
Als Verwaltung oder Schulleitung ohne Mengenbegrenzung kostenfrei Produkte zur Verfügung zu stellen, sah Mehmet Pektas (Fraktionsvorsitzender der FWGB) eher schwierig. Sein Ansatz war es, stattdessen die Hemmschwelle zu senken, beispielsweise durch einen Korb in einer Ecke des Sekretariats, sodass nicht mehr gefragt werden müsse.
Auf Anfrage wollte die SPD-Fraktion ihren Antrag nicht dementsprechend anpassen, die Schulen könnten selbst entscheiden, an welcher Stelle die Menstruationsprodukte ausliegen würden. In der darauffolgenden Abstimmung stimmten 13 Ratsmitglieder (aus SPD, FWGB, und GRÜNEN) für den Antrag, 16 (aus CDU, UWG und FDP) dagegen, zwei (aus FWGB und GRÜNEN) enthielten sich.
Debatten über Phrasen wie “Wir alle können bei den gegenwärtigen Preisen Unterstützung gebrauchen” oder “Wie sähe es aus, wenn 50% Frauen im Rat säßen?” hatten keinen wesentlichen Einfluss auf den Ausgang und wurden aus dieser Berichterstattung ausgelassen.
*Nach kurzer Recherche lässt sich feststellen, dass auch an zahlreichen Hochschulen bereits kostenlose Menstruationsprodukte zur Verfügung stehen; Ebenso wurden ähnliche Anträge in anderen Städten zur Diskussion gestellt. Am Beispiel von Mainz lässt sich erkennen, dass das Thema zudem nicht nur die SPD beschäftigt.
Autorin: Amei Schüttler