„Ich bin von der Entwicklung des VfL schwer beeindruckt”
Gummersbach – Nach 18 Jahren beim Verband kehrt Heiner Brand (62) in die Liga zurück: Der gebürtige Gummersbacher, der mit dem VfL zahlreiche internationale und nationale Titel gewann, ist seit Anfang Juli Mitglied im Beirat des Clubs. In einem ausführlichen Interview beschreibt der ehemalige Bundestrainer seine neue Aufgabe und was er von der aktuellen Entwicklung des einst erfolgreichsten Vereins der Welt hält.
Sie sind zum 1. Juli als Beiratsmitglied Ihres VfL Gummersbach in die Liga zurückgekehrt. Darf man daraus schließen, dass Ihnen nach Beendigung Ihres DHB-Engagements langweilig zu werden drohte?
Brand: Bestimmt nicht. Die Gesellschafter des VfL haben mich in den Beirat gewählt, nachdem ich darum gebeten wurde. Ich bin ja schon öfter vom Umfeld des VfL gefragt worden. Das war aber stets mit der Problematik verbunden, dass sich das, was von anderen dann wiedergegeben wurde, nicht mit dem deckte, was ich dazu gesagt hatte. Jetzt aber bin ich in einem Gremium, in dem ich meine Meinung sagen kann und dann mit Dritten darüber diskutieren werde. Ich habe das natürlich vor allem deshalb gemacht, weil der VfL mir aufgrund meiner Historie sehr am Herzen liegt und mir die aktuelle Entwicklung der letzten Jahre sehr gut gefällt. Meine Mitgliedschaft im Beirat hat aber nichts mit einer Beteiligung am Tagesgeschäft zu tun. Das sind übers Jahr verteilt nur wenige Sitzungen, an denen man zusammenkommt und ich teilnehmen werde.
Es war zu lesen, dass Sie auch ein Angebot aus Japan vorliegen hatten. Was hat es damit auf sich?
Brand: In Katar habe ich ein Gespräch mit dem Präsidenten des japanischen Handballverbandes geführt, in dem es um die Olympischen Spiele 2020 in Tokio ging. Die Japaner sind als Gastgeber sicher qualifiziert. Und in diesem Gespräch hat mir der Verbandspräsident seine Wünsche diesbezüglich kundgetan, und wir haben die Möglichkeit einer Zusammenarbeit ausgelotet. Mehr ist da nicht passiert. Und ob da noch weitere Gespräche stattfinden werden, kann ich zurzeit nicht sagen. Die Meldung war demnach schon ein wenig zu weit gegriffen.
Ihre neue Aufgabe beim VfL ist eher beratend, oder?
Brand: Wenn irgendwo meine Hilfe benötigt wird, bin ich sicher für den VfL da. Das habe ich übrigens auch in der Zeit als Bundestrainer für alle Vereine gemacht. Da gab es schon Clubs, die mich für Sponsorentermine eingeladen haben oder mich für andere Dinge brauchten. Das würde ich für den VfL natürlich auch jederzeit machen.
Vor allem, weil die jüngere Entwicklung des Clubs Ihnen viel Spaß machen müsste.
Brand: Das macht mir sehr viel Spaß. Auch, weil ich von der Entwicklung insgesamt positiv überrascht worden bin. Ich hatte schon gehofft, dass sich mit dem Umzug in die Schwalbe Arena vor zwei Jahren die Rahmenbedingungen deutlich verbessern würden. Dass das aber solche Ausmaße annehmen sollte und zuletzt nicht nur Spiele gegen Top-Clubs ausverkauft waren, hat mich schon überrascht, zumal die Eugen-Haas-Halle in den achtziger Jahren, als wir unsere großen Erfolge hatten, keineswegs immer ausverkauft war. Nur gegen TUSEM Essen oder den TV Großwallstadt war die Halle richtig voll. Und die war nur halb so groß wie die Schwalbe Arena. Aber daran sieht man, wie wichtig vernünftige Rahmenbedingungen sein können. Mit dem ausgezeichneten Umfeld und dem beeindruckenden VIP-Raum bieten sich dem Management des VfL völlig neue Vermarktungschancen.
Ist die These gewagt, zu behaupten, ohne die neue Halle gäbe es den VfL Gummersbach in der 1. Liga nicht mehr?
Brand: Kann ich nicht beurteilen, da ich mich mit den Zahlen des Clubs wenig bis gar nicht beschäftigt habe.
Und sportlich?
Brand: Ich finde es sehr schön, wie die junge und unerfahrene Mannschaft die zurückliegende Saison gemeistert hat. Das war ja so nicht zu erwarten. Im Mittelblock steht ein Julius Kühn von Jahrgang ´93 und ein Simon Ernst von Jahrgang ´94. Neben einigen anderen jungen Spielern setzen diese beiden auf zentralen Positionen auch im Angriff deutliche Akzente. Das gefällt mir. Aber diese Entwicklung gibt es ja mittlerweile auch bei einigen anderen Vereinen. Ich denke da an den TBV Lemgo, an den TuS N-Lübbecke oder an die Füchse Berlin, um nur einige zu nennen. Da hat schon ein Umdenken stattgefunden, das auch der Nationalmannschaft sehr zugute kommen wird.
Die Fans in Gummersbach nehmen das sehr positiv auf.
Brand: Die lechzen doch nach so etwas. Vor allem, wenn die jungen Leute dann auch noch aus der Region kommen. Man sollte aber nicht gleich so tun, als seien das alles schon Top-Spieler. Das wäre dann auch wieder zu groß gedacht.
Hat Sie die Entwicklung gerade von Simon Ernst – vom Ergänzungs- zum Nationalspieler – beeindruckt?
Brand: Gerade Nachwuchsspieler haben es zu Beginn einer Saison immer etwas schwerer, weil sie aufgrund von Jugend- oder Junioren-Welt- und Europameisterschaften stets einen Teil der Vorbereitungen verpassen. Da sind die Trainer in den Clubs gefragt. Bei Simon Ernst war aber von vornherein klar, dass er eine gute Entwicklung nehmen würde. Das wird auch noch weiter gehen. Aber ich war schon beeindruckt, wie stark er in der Abwehr spielen kann.
Welchen Anteil hat Manager Frank Flatten an der gegenwärtigen Gesamtsituation?
Brand: Flatten macht gute und sehr engagierte Arbeit. Auch, weil der VfL ja noch immer mit der Vergangenheit kämpft. Das darf man bei alldem nicht vergessen. Flatten hat neben der erfreulichen aktuellen Entwicklung noch immer auch mit den Altlasten zu kämpfen.
Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn der VfL von der Bildfläche verschwunden wäre…
Brand: Das wäre schade gewesen. Aber es ist mindestens ebenso schade, dass mit dem TV Großwallstadt ein anderer großer Name nicht mehr in der 1. Liga auftaucht.