Bergneustadt – Seit Dezember 2017 ist Wolfgang Denz “Wahl-Oberberger”. Mit Ehefrau und Hund ist er aus Hagen nach Bergneustadt gezogen, wo er Messe- und Verkaufstraining anbietet, von Kindern und Enkeln besucht wird, in seiner Freizeit auch gerne kegelt. Der Ausblick über die Stadt überzeugte das Ehepaar damals von ihrer Immobilie, deren Historie sie auch kennen. Bestätigt fühlen sie sich in ihrem Wohnort durch die Herzlichkeit der Menschen und der Gemeinschaft.
Oberberg wirkt auf den ersten Blick eher wie eine untypische Region für Personen mit Schwerpunkt im Bereich Messe- und Verkaufstraining. Was hat Sie ausgerechnet nach Bergneustadt gezogen?
“Bergneustadt ist in Wirklichkeit ein Zufall. Wir kommen ursprünglich aus Hagen und hatten da eine ziemlich große Immobilie mit einer Firma und einigen Mitarbeitern. Ich wollte mich aber zur Ruhe setzen und so haben wir uns dann im Umfeld umgeschaut, wo wir denn hinziehen könnten. Da haben wir dann Bergneustadt gefunden. Nicht nur, dass wir hier eine nette Aussicht haben, wir haben auch viele nette Menschen kennengelernt.
Wir sind wirklich auch sehr gern in Bergneustadt, weil alles sehr herzlich ist. Das kann man auch beschreiben im einzelnen. Diese Herzlichkeit, die einfach stattfindet: Wir sind relativ schnell aufgenommen worden in der Gesellschaft. Wir haben uns gar nicht groß anstrengen müssen, sondern wir sind mit offenen Armen empfangen worden. Und dadurch, dass ich mich damals eigentlich zur Ruhe setzen wollte, ist es in Wirklichkeit gar nicht gelungen, denn seitdem wir in Bergneustadt sind, habe ich umso mehr Arbeit. Wobei die Bergneustädter ja üblicherweise nicht meine Kunden sind, meine Kunden kommen aus dem gesamten deutschsprachigen Bereich, also sowohl aus dem Süden als auch aus dem Norden. So hat Bergneustadt einen logistischen Vorteil, nämlich liegen wir richtig gut zentral zwischen vielen Autobahnen – Besser konnte uns das gar nicht gefallen als jetzt hier zu sein.”
Sie wollten sich also zur Ruhe setzen. Warum hat das nicht funktioniert?
“Das kann ich so direkt auch nicht sagen. Die Leute wollten mit mir zusammen arbeiten und weil ich selten ‘Nein’ sagen kann, habe ich dann eben ‘Gerne’ gesagt, so ist das immer weiter gegangen. Na gut, Corona hat uns jetzt ein bisschen ausgebremst in letzter Zeit, aber diese Zeit habe ich genutzt, um ein Buch zu schreiben. Das passte jetzt zufällig. Aber deswegen ist die Nachfrage nicht geringer, sie ist nach wie vor hoch. Ich finde das toll und solange alles noch funktioniert, die Leute immer noch mit mir zusammenarbeiten wollen und es mir noch Spaß macht, mache ich das noch.
Gut, durch Corona sind die Seminare jetzt etwas weniger geworden, aber es ist auch in Ordnung so. Die Zeit ist eben auch genutzt worden.”
Warum haben Sie sich für Verkaufstraining entschieden?
“Unter Verkaufstraining kann man sich auch nicht immer etwas vorstellen. Viele sagen: ‘Wer gut quatschen kann, der kann auch gut verkaufen’ – Das mag auch früher einmal gestimmt haben, als man noch alleine im Markt war, aber das stimmt heute so nicht mehr.
Als Hintergrundinformation: Meine Kunden kommen aus dem Bereich der Industrie. Das heißt, sie sind Verkäufer, die meistens sogar international unterwegs sind, die deutsche Maschinen oder irgendwelche deutschen Teile irgendwo weltweit nach China oder in die USA verkaufen und die sich weltweit mit den besten Verkäufern der Welt herumprügeln müssen. Das Verrückte ist: Kein Verkäufer ist alleine im Markt. Das sind immer drei, vier, sieben, zehn, zwanzig, dreißig, vierzig Wettbewerber und da muss man sich natürlich durchsetzen.
Die Entscheider auf der anderen Seite sind auch international strukturiert, also sind das auch Menschen, die hoch ausgebildet sind und dann natürlich nicht Leute akzeptieren können, die letztendlich ihre Fähigkeiten im Sandkasten gelernt haben. Das sind Leute, die eine auf den Punkt genaue Argumentation und Auskünfte und darüber hinaus auch Informationen erwarten, die man als Kunde selbst nie erfragen würde, weil man gar nicht weiß, was man nicht weiß.
Genau das ist es, was Verkäufer dann auch anbieten müssen, denn kein Mensch weiß, was er nicht weiß. Wenn ich nicht weiß, dass es irgendwo etwas gibt, was ich aber haben müsste, um die beste Investition zu tätigen und mein eigenes Unternehmen maschinell gut auszustatten, dann erwarte ich einfach von einem Verkäufer, dass er mir das sagt. Und zwar auch so, dass es mich nicht beleidigt, sondern ich mir auf der anderen Seite auch den Nutzen vorstellen kann. Das kann nicht jeder, das muss man lernen. Das ist eine ganz wichtige Aufgabe für ein Unternehmen, denn ein Unternehmen verdient kein Geld, indem es etwas produziert – das kostet Geld. Ein Unternehmen verdient nur dann Geld, wenn das Produzierte unterm Strich auch verkauft wird und mitunter auch mit einer entsprechenden Marge. Also: Geld verdienen ist nichts Böses, sondern garantiert Löhne und Gehälter.”
Sie sagten: Kein Mensch weiß, was er nicht weiß. Ich glaube, das ist auch ein Motto in Ihrem neuen Buch?
“Das ist ein Motto in meinem neuen Buch und es steht auch ganz stark im Mittelpunkt des Buches. Beim Verkaufen ist man in etwa in der folgenden Situation: Man präsentiert etwas, stellt etwas dar und muss damit rechnen, dass es auf der anderen Seite Menschen gibt, die es so direkt nicht verstehen. Die mildere Form ist, dass sie Einwände bringen – Die schwere Form ist, dass sie Vorwände bringen.
Das Verrückte ist: Alle Unternehmen, denen man etwas verkaufen will, haben schon einen Lieferanten. Das heißt der neue Lieferant, der sich dort reindrängeln will, muss natürlich andere Lieferanten verdrängen. Es ist nichts anderes als in der Fußball-Bundesliga, nur eben international in der Champions League, denn jeder versucht ein Tor mehr zu schießen als die anderen.
Im Verkauf ist es im Prinzip ganz genauso. Es ist ein harter, sportlicher Wettbewerb, in dem es um sehr viel Geld geht. Wie gesagt – Verkaufen heißt immer unterm Strich, Löhne zu finanzieren, die Zukunft zu finanzieren, Investitionen wirtschaftlich zu machen. Nur durch den Verkauf kommt Geld ins Unternehmen und es gibt viele Unternehmen, die das verstanden haben, es gibt aber auch viele Unternehmen, die das vielleicht nicht so im Kern verstanden haben.
Ich mache das ja schon seit 1981 selbstständig, war vorher schon Vertriebschef in einem Unternehmen mit etwa 100 Außendienstmitarbeitern. Wenn man jetzt ein Unternehmen verfolgt, das stagniert, im schlimmsten Fall sogar in Konkurs geht, liegt das nicht daran, dass sie schlechte Produkte haben, sondern meistens liegt es daran, dass sie diese Produkte nicht so darstellen konnten wie der Markt es braucht, um es zu verstehen. Das heißt also: Es wurde schlecht dargestellt.
Gerade in diesem technischen Bereich, in dem ich mich bewege, sind es fast alles Naturwissenschaftler, die im Verkauf arbeiten. Naturwissenschaftler, die in ihren universitären Ausbildungen immer ganz stark auf naturwissenschaftliche Basislogik usw. getrimmt worden sind, aber nie auf Kommunikation. Das ist für sie ein ‘Entweder man kann es oder man kann es nicht’. Man kann auch gegen einen Ball treten, aber deswegen ist man nicht unbedingt Bundesliga-Fußballspieler.”
Wie sieht so ein Messe- und Verkaufstraining dann typischerweise aus?
“Es sind mehrstufige Seminare mit unterschiedlichen Ansprüchen. Im Prinzip wie in der Schule: Es gibt die reine Wissensvermittlung und es gibt die Situationen wie in der Schule, in denen man diese Dinge dann übt, weil Sprache auch eine motorische Disziplin ist. Also nicht nur ein ‘Ich weiß, was ich hätte sagen müssen’, sondern es muss spontan, gut und verständlich kommen und das passiert erst dann, wenn auch der Verkäufer verstanden hat, warum er etwas sagen soll. Wenn er nicht weiß, warum er etwas sagen soll, klingt es immer ein bisschen eigenartig und aufgesetzt. Dann sagt der Verkäufer etwas oftmals gar nicht, weil er logischerweise auf der anderen Seite auch denkt: ‘Welchen Schauspielunterricht machen Sie hier eigentlich?’. Das muss also verständlich rüberkommen. Die Verständlichkeit entsteht eben nur durch Verstehen. Wenn ich etwas nicht verstehe, geht es nicht, das funktioniert nicht.
Verkaufen selbst hat natürlich sehr viele Disziplinen. Es fängt an mit Neukundengewinnung, also Akquisition auf Neudeutsch. Am Ende stehen da die “Zu teuer”-Gespräche. Die deutschen Unternehmen, mit denen ich zusammenarbeite, haben alle ein Preisproblem. Wenn eine deutsche Maschine beispielsweise 500.000 Euro kostet, kostet eine chinesische Maschine 250.000, eine italienische Maschine vielleicht 400.000 und eine spanische Maschine 450.000 oder umgekehrt. Also sind die deutschen immer mit die teuersten. Das heißt, sie müssen also immer in der Lage sein zu erklären, warum es richtig ist nicht die Maschine für die Hälfte zu kaufen, sondern letztendlich die deutsche Maschine. Das ist die Aufgabe des Verkäufers, das muss er beherrschen. Wenn er aber nur sagt: ‘Meine Schraube ist dicker’ – das wird letztendlich keine großen Vorteile bringen. Das ist eine ganz große Bandbreite.
Der ‘Kampf’ im Verkaufstraining besteht auch darin, dass Verkäufer natürlich unterschiedliche Erfahrungen haben. Da gibt es die jungen, die haben wenig Erfahrung, die tun aber so, als ob sie schon hundert Jahre Erfahrung hätten. Dagegen gibt es auch die älteren Verkäufer, denen kann man natürlich nichts mehr erzählen, bis sie dann auch mal kapieren: Da gibt es doch noch etwas zu lernen.
Oftmals ist also gar nicht der Markt das Problem, sondern die innere Einstellung des eigenen Personals, die einfach von sich aus schon glauben, dass sie zu teuer wären. Da muss man einfach mal fragen: Wie kommt da jemand drauf, sein eigenes Produkt selbst schon als ‘zu teuer’ zu bezeichnen? Wahrscheinlich wird das derjenige sein, der aus 500.000 Euro versucht 250.000 Euro zu machen. Jetzt darf man aber auch überlegen, welches Unternehmen denn davon noch profitiert. Das ist auch eine Aufgabe.
Es ist eben nicht nur eine intellektuelle Aufgabe, zu erkennen, was man sagen kann, sondern eben auch eine gewisse Denkänderung einlenken muss, damit die Leute kapieren: Mensch, was sind wir super, was sind wir toll! Das ist keine Frage der Motivation, einfach nur zu sagen ‘Ich bin toll, ich bin toll, ich renne durch jede Wand’ – die Leute müssen schon wissen, was sie haben und oftmals sehen sie ihr eigenes Produkt gar nicht als so wertvoll an. Das ist eben etwas, was ich in meinen Seminaren auch korrigieren muss.
Es gibt also die Wissensvermittlung, es gibt Training und das hört nicht auf. Es geht immer weiter und wieder etwas weiter. Man darf dem Wettbewerber ja auch nicht verbieten sich zu entwickeln, also müssen sich unsere Verkäufer auch entwickeln. Ich kann immer wieder diese Analogie zum Fußball bringen. Warum? Weil die auch jede Woche trainieren, obwohl schon jeder Fußball spielen kann. Das liegt einfach daran, dass man sonst wieder zurückfällt in ein Verhalten, das man Jahrzehnte lang gemacht hat – Kindheit, Jugend, usw.
Wenn man dann plötzlich anfängt, neu zu denken und neu zu argumentieren, ist es nicht immer so ganz einfach. Das muss man erstmal wollen und auf der anderen Seite muss man es auch erhalten, konservieren. Es geht nicht einfach um ein ‘Ich war im Seminar, also kann ich das jetzt’. Das wäre genauso wie zu sagen: ‘Ich habe mir ein Fußballspiel angeguckt, also kann ich das jetzt’. Es stimmt nunmal nicht.”
Was schätzen Sie in der Region besonders? Was würden Sie ändern wollen?
“Was ich besonders schätze, das sind die Menschen. Wir kennen natürlich nicht jeden, aber viele, die wir kennengelernt haben, sind alle sehr herzlich. Wir haben wirklich die besten Erfahrungen gemacht. Sie sind zugänglich, sie zeigen nicht die kalte Schulter.
Was gefällt uns nicht? Gut, man könnte ganz bestimmte Stadtteile, wenn man hier reinfährt, ein bisschen überarbeiten. Die Bebauung, wenn man die Bundesstraße von Niederseßmar oder von der anderen Seite nach Bergneustadt reinfährt, könnte man schon schöner gestalten. Es wäre schon toll, wenn sich da ein bisschen mehr Mühe gegeben werden würde. Das ist jetzt aber keine Frage der Stadt selbst oder des Bürgermeisters, sondern das ist auch eine Frage der Bewohner, die diesen Ehrgeiz haben müssen. Vielleicht muss der auch nochmal geweckt werden, dass diese Leute auch stolz auf ihr Bergneustadt sind. Denn Bergneustadt ist eine wunderschöne Stadt.”
Autorin: Amei Schüttler