Bergneustadt – In Bergneustadt kandidieren für den Stadtrat nicht nur die altbekannten Parteien (CDU, SPD, Grüne, FDP und UWG), sondern auch eine Partei, die zuletzt zu der Kommunalwahl 2009 antrat: Die Freie Wählergemeinschaft Bergneustadt (FWGB). Warum die Partei nun wieder in Erscheinung tritt, aus welchen Personen sie besteht und welche Ziele sie für die kommende Kommunalwahl am 13. September verfolgt, konnten wir in einem Interview mit Mehmet Pektas, FWGB Reservelistenkandidat Nr. 1, Kandidat für den Wahlbezirk „Wiedenest 1“ und Mitinitiator der “neuen” Partei, klären.
Was hat Sie dazu bewogen die FWGB wiederzubeleben?
“Es sind mehrere Gründe gewesen. Für die Wahl 2009 haben wir uns zum ersten Mal aufgestellt, weil wir uns auch damals von der vorhandenen Parteienlandschaft nicht vertreten gefühlt haben. 2014 gab es eine Einigung mit der SPD, sodass man dann mit der FWGB nicht ins Rennen eingestiegen ist. So habe ich es mir sagen lassen von den damaligen Verantwortlichen. In den letzten Jahren ist es nicht so einfach gewesen. Das Stadtgeschehen, wie es sich entwickelt hat bei diversen Themen, hat uns auch zu bewegt, weil auch Generationen nachgekommen sind, die hier geboren sind, hier aufwachsen, vieles jetzt auch mitbekommen, sodass das Interesse jetzt ein ganz anderes ist als das 2008 von Menschen, die hierher migriert sind.
Weil wir uns zu großen Teilen auch von der vorhandenen Parteienlandschaft nicht vertreten fühlen, haben wir die FWGB wiederbelebt. Der jetzige Vorstandsvorsitzende, das ist mittlerweile der Vorsitzende der Moschee in Bergneustadt, hat das noch einmal richtig auf den Schultern gehabt und er ist auch ganz froh, wenn er das abgeben darf, weil er seit 2014 nicht politisch aktiv ist und nichts mehr damit zu tun haben will. So haben wir das übernommen, aber was heißt übernommen? Es ist rechtlich noch nicht in unserer Hand, aber ich bin einer der Mitinitiatoren, der das ganze beleben wollte, und auch mit einem Team später fortführen möchte. Wir haben jetzt entsprechend die Zusage vom Wahlausschuss bekommen, dass wir erstmal mitmachen. Nach den Wahlen wollen wir dann auch den Parteivorstand mit einer Mitgliederversammlung übernehmen, wenn das klappt.”
Was sind die wichtigsten Themen für die FWGB im Wahlkampf?
“Vielleicht haben Sie unsere Website gesehen. Dort haben wir auch unser Parteiprogramm dargelegt. Wir haben 12 Schwerpunkte, die wir politisch ins Auge gefasst haben. Für den Wahlkampf steigen wir insbesondere auch in Themen wie zum Beispiel die Stadtfinanzen und Stadtverwaltung ein, die aktuelle Situation, mit der wir nicht zufrieden sind. Wir wollen insbesondere in die Wirtschaftsförderung einsteigen, da legen wir ein sehr großes Augenmerk darauf. Ich bin auch jemand, der leider aus Bergneustadt raus fahren muss, um sein Geld zu verdienen. Ich denke, dass viel zu wenig oder viel zu halbherzig in der Politik agiert wurde, um hier Firmen oder Unternehmen hinzubekommen. Das müssen ja nicht die Riesen-Unternehmen sein, aber Unternehmen, die 50 Mann beschäftigen, 100 Mann beschäftigen. Ich bin mir sicher, dass wir dafür Platz haben in Bergneustadt, um solche KMUs (= kleine und mittelständische Unternehmen) unterzubekommen. Ich denke einfach damit ist man halbherzig umgegangen. Es leben hier ja ein paar Tausend Bürger, dann erhöhen wir einfach mal den Grundsteuer B Satz und die zahlen dann einfach schon die Differenz und das ist leichter gemacht, als wenn man hier Unternehmen hin holt und durch Gewerbesteuererträge dann das Budget entsprechend anders gestalten könnte.
Ich habe jetzt auch schon an den dritten Punkt angeknüpft, die Grundsteuer B. Die tut natürlich jedem weh hier in Bergneustadt, der Eigentum hat. Es ist einer der teuersten Grundsteuer B Sätze in Deutschland. Man versucht jetzt schon die Grundlage dafür zu schaffen und sagt: Okay, ja, 2021 läuft unser Stärkungspakt aus. Wir werden bis dahin auch in so einem leichten Plus-Betrag sein. Wird es dann überhaupt Sinn machen, dass wir die Grundsteuer senken oder behalten wir das? Also man versucht jetzt schon den Weg zu ebnen, um die Grundsteuer hoch zu halten. Wenn wir es in den Stadtrat schaffen, werden wir definitiv dagegen sprechen. Das heißt natürlich nicht, dass wir blauäugig sind und sagen: Nein, wir reduzieren einfach unsere einzige große Einnahmequelle. Aber wir wollen insbesondere die verschiedensten Einnahmequellen fördern, wie unter anderem auch die Gewerbesteuererträge. Die möchten wir auf jeden Fall maximieren, weil wir denken, dass zu einseitig mit den Einnahmequellen umgegangen wird.
Ganz wichtig ist für uns auch das Thema: Man versucht leider auch hier sehr viel auf dem Rücken der türkischstämmigen Bürger manche Sachen und Fehlverhalten aufzubürden. Insbesondere Integration, das wird auch bundesweit leider stark gemacht. Es sind sich auch viele Experten einig, dass die damalige Bundesregierung einfach gar nicht über das Thema Integration und Integrationspolitik nachgedacht haben. Es sind sehr viele Baustellen entstanden, die dann – so gibts zumindest den Anschein – unter den Teppich insbesondere der türkischstämmigen Bevölkerung gekehrt werden. Das macht man auch in Bergneustadt. Man hat insbesondere wenn es darum geht – weil es einfach ein Bedarf ist, es ist ein Bürgerbedarf, ein Volksbedarf – dass insbesondere der muslimische Teil der Bevölkerung eine würdevolle und von der Kapazität her ausreichende Gebetsstätte errichten darf. Und wie mit dem Thema teilweise umgegangen wurde, wie man da wirklich auf einem sehr, sehr niedrigen menschlichen Niveau teilweise das Thema hingezerrt hat, das war unfassbar. Ich hätte nie gedacht, dass so eine multikulturelle Gesellschaft wie Bergneustadt, dass man über solche Themen mit dermaßen, ich will schon fast sagen, wirren Argumenten kommt, um nur den Moschee-Bau irgendwie zu erschweren. Es ist wirklich so. Man erschwert hier manche Sachen. Und wir reden auf der einen Seite von Integration, auf der anderen Seite versuchen wir ein Grundrecht, was im Grundgesetz verankert ist, durch die Öffentlichkeit zu drängen, um da das “Volk” mit in den Rücken zu nehmen, um das Thema in Richtung Volksentscheid oder so zu bringen. In meinen Augen stellt sich die Frage gar nicht, weil es ein Grundrecht ist. Es gibt vorhandene Gesetze, die eingehalten werden müssen, wie das Verkehrsrecht, das Baurecht und alle möglichen Rechte, die ich vielleicht noch nicht kenne. Wir sollten uns eigentlich dahingehend bemühen, dass dieser Bevölkerungsteil, der fast um die 25% mittlerweile in Bergneustadt ausmacht, habe ich mir sagen lassen, einfach eine würdevolle Moschee bekommt, eine würdevolle Gebetsstätte. Und dass man dadurch auch zeigt, dass sie ein Teil der Bevölkerung sind. […] Das ist auch ein Antrieb, dass man sagt: Nicht mehr hinter unserem Rücken Politik machen. Wir wollen, dass man mit uns Politik macht.
Es ist also ein Thema: Integration, insbesondere auch Rassismus, den wir leider inzwischen sehr oft erleben, auch hier in Bergneustadt und auch in den umliegenden Städten. Insbesondere was zum Beispiel Kopftuch tragende Frauen erleben, was uns gar nicht bewusst ist und was man erst im Gespräch mitbekommt. Wir wollen dahingehend auch sehr aktiv wirken, auch da eine Sensibilität in der Bevölkerung schaffen. Und wir wollen auch eine Doku-Stelle errichten. Wir möchten es statistisch erfassen, sodass man diese Menschen auch schützen kann und dass man auch sehen kann, wie die Entwicklung in der Stadt verläuft.
Darüber hinaus ist ganz, ganz wichtig, dass man hier in Bergneustadt auch die Migration von Menschen fördert. Das heißt jetzt nicht ausländische Menschen zu fördern, sondern dass Bergneustadt wieder zu einem Anzugspunkt wird, wo Menschen hinziehen. Das kann man nur durch die Förderung von Eigenheimen und Wohnungsbau machen. Wir denken hier zum Beispiel, dass unser Katasteramt nicht optimal arbeitet oder aufgestellt ist. Hier werden zum Beispiel Baulücken, die es sehr viel in Bergneustadt gibt, leider offiziell nicht aufgezeigt. Manche Gemeinden haben im Katasteramt extra solche Stellen oder solche Services, die Ihnen Baulücken aufzeigen. Oder man kann auch zum Beispiel Bauunternehmen für Bergneustadt fördern, sodass sie hier Wohnungsbau betreiben. Wir bekommen sehr oft mit, dass Menschen mittlerweile sehr schwer eine Mietswohnung bekommen, also Eigenheim war vielleicht sogar schon zu hoch gegriffen. Das ist auch ein Punkt, auf den wir hinarbeiten möchten.
Und nicht zuletzt auf jeden Fall: Wir möchten Familien insbesondere fördern. Frauen, Jugendliche. Es gibt sehr viele Mütter, es gibt sehr viele werdende Mütter, die man zusammenbringen kann, denen man städtische Räumlichkeiten zur Verfügung stellen kann, dass es Frauentreffs gibt. Dass die Stadt auch sehr aktiv mit der Bevölkerung, mit den Vereinen etwas macht, dass sie sehr stark kooperieren. Und natürlich auch die Jugend, die darf nicht zu kurz kommen. Wir sehen auch ganz junge Menschen in Bergneustadt, auch wenn es hier nicht so viele gibt, aber die, die es hier gibt, darf man nicht verprellen. Man muss ihnen wirklich auch anständige Räumlichkeiten geben, anständige Freizeitmöglichkeiten geben. Wenn auch mal kleine Jungs oder jüngere Menschen auf dem Rathausplatz bolzen, machen die das garantiert nicht, weil es ihnen Spaß macht auf Beton zu bolzen, sondern weil sie hier keine geeigneten Plätze oder Räumlichkeiten haben. Da möchten wir auch die Gesellschaft fördern, mit solchen Maßnahmen.”
Sie haben es schon angesprochen und sprechen auch auf Ihrer Website davon, sich der Themen Diskriminierung, Gleichbehandlung und Integration anzunehmen. Haben Sie vielleicht ein oder zwei Beispiele, wie man das konkret angehen kann?
“Ganz wichtig ist auf der einen Seite Diskriminierung. Das möchten wir wie gesagt erstmal statistisch erfassen. Es müssen nicht unbedingt muslimische Menschen sein, es gibt ja völlig verschiedene Arten von Diskriminierung, sei es Hautfarbe, sei es Geschlecht, sei es vom Glauben her, sei es von der Nationalität her. Wir möchten eine Position erreichen, bei der jeder, der sich einer Diskriminierung ausgesetzt fühlt, weiß: Jetzt muss ich die FWGB kontaktieren. Und dann möchten wir an den verschiedenen Stellen, sei es mit den Ordnungshütern, wenn es zum Beispiel zu einer nonverbalen Auseinandersetzung kommt, den Menschen auch rechtlich zur Seite stehen. Viele Menschen wissen gar nicht, was für Rechte sie überhaupt haben, wenn sie ausgegrenzt oder diskriminiert werden. Das ist dann alles, um das aufklären zu können, was schon vorhanden ist.
Hinsichtlich der Integration, beziehungsweise auch der Gleichbehandlung: Die Gleichbehandlung wir auch schon anfangen, wenn wir einen Platz im Rat bekommen. Dass wir dort überhaupt Mitspracherecht bekommen, dass wir in der Politik Mitspracherecht bekommen, dass wir uns dort, wo man uns mit Dingen konfrontiert – ich sage schon “uns”, da fängt die Ausgrenzung selber an, ich bin eigentlich Bergneustädter, ich fühle mich auch als Bergneustädter, wie viele Menschen hier und deshalb leben sie auch gerne hier – aber dass man insbesondere dort, wo man bislang immer hinter unserem Rücken gesprochen hat, Mitspracherecht findet. Ich habe bemerkt, dass die Kommunikation sowohl mit dem Bevölkerungsteil, als auch auf den unterschiedlichsten Ebenen, wie der öffentlichen Ebene, der privaten Ebene, nicht optimal ist. Da merken Sie, was für große Defizite da sind, weil man entweder manches nicht weiß oder falsch weiß oder nicht genügend weiß. Das wird durch die politische Beteiligung auch über die FWGB einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass man sich erstmal besser versteht, dass man überhaupt weiß: Was will denn der Andere überhaupt?
Um nochmal auf das Thema zurückzukommen mit dem Stichwort Moschee-Bau: Da wurden so wirre, wirklich falsche Aussagen getroffen. Ich weiß nicht, ob es beabsichtigt oder unbeabsichtigt war, aber so falsche Theorien wurden aufgestellt, auch teilweise durch die jetzt kandidierenden Politiker. Das geht schon fast in Richtung Diskriminierung, wie man das Thema angeht. Da werden so wirre Thesen aufgestellt und da kann ich die Bevölkerung schon verstehen, die dann nichts von der “anderen Seite” hört, weder eine Bejahung noch eine Verneinung. Das ist etwas, wo die Kommunikation gefehlt hat und wo ich denke, dass das mit uns besser werden wird, wenn man dann auch politisch partizipieren kann.
Ich denke Integration kann in Bergneustadt sehr gut gelingen, wir haben ja um die 90 Vereine. Wenn die Stadt als eine Art Schirmherr sich an Projekten beteiligt oder sie generiert, in denen sie die Vereine auch mit unter ein Dach nimmt, wie es ja auch die Caritas als Organisation macht, […] auch mit Veranstaltungen und Festen, dadurch zu den einzelnen Bevölkerungsgruppen einen Zugang hat, dann denke ich, dass das ein guter Ansatz ist, um miteinander wieder etwas zu machen. Das Wort ist das Schlüsselwort: Miteinander wieder etwas machen, miteinander sein, beieinander stehen und nicht zu vergessen, dass wir alle Bergneustadt sind. Und dann fallen auch viele Sachen einfacher, die man uns im Moment als “schwer” zu zeigen versucht.”
Von ganz links bis ganz rechts: Wo würden Sie Ihre Partei politisch verorten?
“Wir sind auf jeden Fall die Mitte. Wir sehen uns nicht als ideologische Partei an, um ehrlich zu sein. Wir sind sehr autark, völlig unabhängig. Uns gibt es nur ein Mal. Das ist die Freie Wählergemeinschaft in Bergneustadt und wir haben keinen Dachverband, nichts. Weder von Berlin noch von Düsseldorf wird uns etwas gesagt. Wir sind keine Migrantenpartei, vielleicht bestehen wir im Moment zum größten Teil aus Migranten, aber wir sind eine Partei von mitgliedschaftlich organisierten Wählern, die sich in der Politiklandschaft nicht vertreten fühlt und bei uns kann jeder mitmachen. Und falls Sie es noch nicht bemerkt haben: Wir haben unsere komplette Kommunikation auf Deutsch. Es gibt nichtmal irgendeine andere Übersetzung. Und das hat seinen Grund. Das wird auch so bleiben. Sie haben wahrscheinlich auch gesehen, wir sind sehr viele junge Menschen. Das heißt, das sind alles Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind, die gerne in Bergneustadt leben und auch gerne Bergneustadt mitgestalten wollen. Und ich heiße auch nochmal jeden herzlich willkommen, der zwar politisch gerne etwas machen möchte, der sich einsetzen möchte, auch wenn er nur einen ganz kleinen Beitrag leisten möchte. Er muss nicht aktiv sein und jeden Tag vier Stunden etwas für die FWG machen, aber jeder, der wirklich etwas für die Stadt machen will, ohne in eine ideologische Schublade gesteckt zu werden, der kann gerne bei uns mitmachen.”
Ihre Wählergemeinschaft wird häufig mit dem Thema Moschee-Bau assoziiert. Wie stehen Sie tatsächlich dazu?
“Wir haben ein 17-seitiges Parteiprogramm, was wir eingereicht haben. Auf den 17 Seiten, die relativ voll beschrieben sind, ist der Moschee-Bau mit fünf Sätzen unter einer Kategorie aufgelistet. Das sollte die Antwort auf die Frage eigentlich sein. Wir haben Bergneustadt ganzheitlich im Blick, wir haben ganzheitliche Interessen. Natürlich gehört der Moschee-Bau auch zu unseren Interessen, Bergneustadt hat einen Anteil von 25% an Menschen mit muslimischem Glauben und das Thema ist politisch interessant, um es ein für allemal zu lösen. Wir reden hier von dem Bau einer Stätte, deren Bau und deren Auslebung der Religion im Grundgesetz verankert ist und was eigentlich völlig normal sein sollte. Einfach ein Betonwerk vom Fundament bis zum Dach, was errichtet werden soll und gut ist. Wir möchten nicht, dass das als Vorwand, als Thema, immer verdrängt wird und die Bergneustädter Gesellschaft mit dem Thema immer belastet wird. Wir haben ganz andere Probleme hier am Hut. Es ist also ein Thema, aber es ist von den 12 Schwerpunkten, die wir auch auf der Website haben, in einer Kategorie mit zwei, drei Sätzen zusammengefasst.”
An welchen Stellen haben Sie Schnittpunkte mit anderen Parteien? Und an welchen Punkten unterscheiden Sie sich am stärksten?
“Also zu den Schnittpunkten: Es war mal die SPD. Es war mal, das sage ich ganz bewusst, weil die SPD klassischerweise auf Bundesebene quasi die Partei der Migranten war, weil sie mit ihrer sozialdemokratischen Linie versucht hat, die Interessen der migrantischen Wähler auch zu vertreten. Das ist in den letzten Jahren völlig abhanden gekommen, finde ich. Man hat wirklich nur noch sein Erbe aus der Vergangenheit so ein bisschen bis zum heutigen Tag gepflegt. Wenn Sie es sich auch heute anschauen: Am meisten war es glaube ich auch die SPD Bergneustadt, die erbost war, nachdem wir uns entschieden haben bei den Wahlen mitzumachen, was ich gar nicht verstehe. Wir müssen uns eigentlich als Demokraten freuen, dass sich ein Bevölkerungsteil, der sich zum größten Teil momentan völlig vom demokratischen Diskurs abgekapselt hat, sich jetzt einbringen möchte. Ob das über eine neue Partei oder eine vorhandene Partei ist, sollte Demokraten eigentlich egal sein. Es sollte eigentlich wichtig sein, dass die Teilnahme an den Wahlen und am demokratischen Diskurs erhöht wird. Und ich bin mir sicher, wir werden das an der Wahlbeteiligung dieses Mal sehen. Ich bin mir sicher, die wird sich erhöhen. Ich hoffe, dass die Wähler, die die SPD bislang gewählt haben, insbesondere von den Migranten, uns auch wählen und uns ihre Stimme anvertrauen. Und wir werden aber auch das sehr, sehr große Potential, das eingeschlafen und auch eingeschnappt war, das auch ein bisschen böse war, weil man sie ausgrenzt, dass man sie auch mitnimmt und sagt: Leute, ihr habt auch etwas zu sagen in Bergneustadt und das möchten wir für euch machen, ohne euch erstmal was zu versprechen und sofort, nachdem man gewählt ist, die ganzen Versprechen zu vergessen.
Mit wem haben wir also Schnittstellen? Ich habe die Parteiprogramme gelesen. Ich kann jetzt nicht unbedingt die eine oder andere Partei erwähnen, weil man natürlich sagen muss, auch die CDU Bergneustadt, die Grünen, die SPD, die UWG, die haben alle Beiträge in ihren Parteiprogrammen, die natürlich der Stadt gut tun. Wie gesagt, wir sind keine ideologische Partei. Wir möchten auch nicht unterhalb der Gürtellinie schlagen. Sie werden das auch nicht von uns hören, auch wenn das im Moment andere Parteien hier machen – auf eine sehr unverschämte Art und Weise teilweise. Wir machen das nicht. Unser Ziel ist ein ganz anderes. Wir möchten wirklich das friedliche Miteinander haben, einen fairen Wahlkampf führen und wir möchten am Ende auch, dass die Leute sagen: Oh, guck mal. Die wollen auch zu der Stadt beitragen, die sie auch lieben, wo sie auch gerne wohnen, wo sie aufgewachsen sind. Und das werden wir auch schaffen.
Ich kann jetzt nicht wirklich sagen “Hier sind Schnittstellen” und “Hier fühle ich mich gar nicht vertreten”. Es gibt natürlich ein paar Sachen, das sage ich auch ganz offen, wie die UWG zum Beispiel manche Themen angeht – ich denke, ich brauche da keinen Namen unbedingt zu erwähnen – das grenzt nicht nur daran, das ist schon Rassismus, das ist krass. Und ich werde zwar einen fairen Wahlkampf führen, aber ich sage auch ganz offen: Wenn wir in den Stadtrat kommen, dann wird es auch harte Kanten geben. Ich werde es zum Beispiel insbesondere erstmal als Mensch und als Bergneustädter nicht dulden, dass man teilweise solch unverschämte Sachen sagt, wie ich sie schon mal als Zuhörer und Besucher von Stadtratssitzungen gehört habe, dass die einfach so in den Raum geschmissen werden und dann meldet sich keine Partei. Die sagen nichts, sie widersprechen noch nicht mal. Das wird es mit uns auf jeden Fall nicht geben. Die Menschen mit Migrationshintergrund, insbesondere auch unsere türkischstämmigen Bürger, werden nicht mehr so einfach vor den Kopf gestoßen werden können, als ob es sie hier nicht gibt oder als ob sie ungewollt wären. Das werden wir nicht erlauben.”
Ihr Slogan ist “Aus Liebe zur Heimat”. Warum haben Sie ausgerechnet diesen Slogan gewählt?
“Wir haben überlegt, was man für einen Slogan wählen kann. Und ich kann von mir sprechen und auch von vielen Menschen, die mittlerweile auch auf jeden Fall schon in der dritten Generation von türkischen Einwandererfamilien oder sogar die zweite Generation sind: Deutschland ist unsere Heimat. Bergneustadt ist unsere Heimat und wir lieben unsere Heimat. Deswegen sind wir ja hier, trotz aller Probleme, die ich jetzt vielleicht hervorgehoben habe. Und es gab Zeiten, die waren viel, viel schöner. Ich erinnere mich gerne an meine Kindheit, an so viele schöne Dinge oder Tugenden, die es heute – und auch damals zum Beispiel in der Türkei – nicht gibt. Ich gebe immer gerne das Beispiel an: Früher, als ich mit acht oder zehn oder 15 Jahren auf die Straße gegangen bin, da haben einen insbesondere ältere Menschen gegrüßt. Man musste sich gar nicht kennen. Das ist so eine schöne Tugend, finde ich, daran erinnere ich mich immer gerne. Wir sind alle hier geboren und aufgewachsen, unsere Sozialisierung haben wir hier verwirklicht, wir haben hier unsere Bildung genossen und wir arbeiten hier und tragen zum Bruttoinlandsprodukt bei in Deutschland und auch in den Städten, in denen wir leben. Das ist einfach unsere Heimat.
Und ich denke insbesondere die ältere Generation, die haben das jahrelang – vielleicht auch aus berechtigten Gründen – ein bisschen verpennt auch ihren Beitrag zu leisten, besonders den gesellschaftlichen und politischen Beitrag, weil man durch verschiedene politische Dinge die Ghettoisierung auch zugelassen hat. Dieses in die Ecke gehen, sich gar nicht einmischen in die Gesellschaft – die dritte Generation will das nicht so auf sich sitzen lassen. Und auch die jüngeren Generationen. Wir sind hier, wir möchten hier bleiben, hier altern. Wir betrachten Bergneustadt als unsere Heimat und es ist unsere Aufgabe und Pflicht geworden, dass man auch den Beitrag für Dinge, die hier gerade nicht gut laufen, wirklich als Mitglied dieser Bevölkerung leistet. Und deswegen auch “Aus Liebe zur Heimat”.”
Welchen Bürgermeisterkandidaten würden Sie unterstützen und warum?
“Es gibt ja einige Bürgermeisterkandidaten. Die FWGB als Partei hat mit keinem Bürgermeisterkandidaten gesprochen, kein Bürgermeisterkandidat ist auf die FWGB offiziell zugekommen. Wir möchten das ganze noch ein bisschen begleiten, weil wir aufgrund der coronaverschuldeten Situation diese klassischen Veranstaltungen nicht haben. Da gab es schöne Veranstaltung in den letzten Wahlen, in den letzten ein, zwei Wahlen zumindest. In der Burstenhalle diese Talks, wo richtig Polit-Bühne betrieben wurde. Die gibt es dieses Jahr leider nicht. Wir betrachten jetzt über Social Media am meisten und wir möchten das noch bis zur letzten Minute betrachten, wer welchen Beitrag gibt, wer natürlich auch welche Versprechungen macht, das ist ganz wichtig, und wir werden auch diesmal gut differenzieren, auf welchen Versprechungen man aufbauen kann.
In meinem Interview mit der OVZ habe ich auch mal meinen Frust als Wähler an den letzten Bürgermeistern rausgelassen, weil ich live Zeuge wurde von diesen Besuchen kurz vor den Wahlen, was für Versprechungen man gemacht hat und wie sehr man sich gedreht hat. Das war teilweise auch eine menschliche Enttäuschung. Ich hätte nie gedacht, dass sich Menschen dermaßen verdrehen und verstellen können. Ich betrachte es leider als verdrehen und verstellen, das müssen Sie mir nachsehen, die Herren, die damals an der Spitze waren. Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen und gehört, da wurden Versprechungen gemacht. Und später hat man aus politischer Willkür heraus, ich kann es anders nicht beurteilen, die ganzen Versprechungen vergessen und dann noch schlimmer: Man hat das Gegenteil gemacht. Das ist auch einer der Gründe, warum wir gesagt haben: Wir möchten aktiv in der Politik mitwirken, um nicht nochmal – wenn ich das so sagen darf – betrogen zu werden. Die jetzigen Bürgermeisterkandidaten werden auch Versprechen abgeben, aber wenn es dazu kommt, dass man sich auf ein Versprechen einlässt, dass man die Unterstützung für einen Kandidaten insbesondere preisgibt und dass diese Versprechen dann nicht eingehalten werden, dann werden wir auch im politischen Diskurs zeigen, dass das nicht in Ordnung ist. Und dann werden wir da natürlich auch einen Strafzettel verpassen im Stadtrat, wenn es dazu kommt. Wenn es dann Gesetze gibt, bei denen man die Unterstützung der FWGB benötigt, spricht man diese Unterstützung dann natürlich auch nicht aus.
Mein Appell an alle Bürgermeisterkandidaten: Macht wirklich aufrichtige und ehrliche Versprechungen. Bislang waren sie auch relativ bodenständig und ehrlich. Macht einfach aufrichtige Versprechungen, die ihr auch halten könnt, die ihr auch bis zum Ende der Legislaturperiode vertretet. Mehr möchte auch niemand in Bergneustadt. Wenn es gegen Ende der Wahlkampfphase geht, kurz vor den Wahlen, möchten wir dann auch unsere Unterstützung durchaus verkünden. Wir spielen mit offenen Karten. Wir möchten eine ehrliche, ordentliche, saubere Linie verfolgen.”
Haben Sie noch etwas, das Sie den Bürgern von Bergneustadt gern mitteilen würden?
“Ich bedanke mich noch einmal für das Interview. Man wird viel zu lesen bekommen. Man hat über unsere Partei schon das eine oder andere zu lesen bekommen. Man sollte sich eigentlich freuen, dass sich die türkischstämmige Bevölkerung – egal auf welchem Wege – am demokratischen Diskurs beteiligt. Das ist ganz, ganz wichtig. Die Bevölkerung wird das schon selbst gut filtern. Die Bergneustädter sind sehr klug. Sie wissen anhand welcher Methoden, seien es nonverbale oder verbale Methoden, wer zu welchem Zweck beiträgt.
Ich appelliere an das friedliche Miteinander. Bergneustadt ist eine multikulturelle Stadt. Ich traue der Herzhaftigkeit der Bürger, der Aufrichtigkeit der Bürger und ich hoffe, dass die Bürger die FWGB auch als sechste Partei beherzigen. Bei uns kann jeder mitmachen, wir sind keine Migrantenpartei, auch wenn es im Moment stark Migranten-lastig ist. Die Entscheidung die FWGB zu beleben war eine sehr spontane und dann auch noch jetzt in der Coronazeit haben wir wirklich sehr, sehr begrenzte Mittel – sowohl finanziell als auch personell – und da fokussieren wir uns natürlich auch auf gewisse Wählergruppen im Moment. Aber wir sind eine Bergneustädter Partei. Jeder kann gerne bei uns mitmachen. Wir möchten auf keinen Fall in irgendeine ideologische Schublade gesteckt werden und uns geht es nur um Bergneustadt.
Ich versichere der Bevölkerung, dass sie von offizieller Seite der FWGB nur Bergneustadt-Politik und Bergneustadt-Themen zu hören bekommen wird. Und, dass wir es nicht zulassen werden, dass Probleme durch die Zunahme von bundesweiten oder gar internationalen Themen vertuscht werden und dass man nochmal versucht uns hier auszugrenzen.
Ich bedanke mich auch nochmal bei den vielen positiven Feedbacks aus allen Bevölkerungsteilen in Bergneustadt. Wir haben Freunde, Verwandte und Bekannte in Bergneustadt und die beglückwünschen uns, dass man den Mut zeigt und sich diese Arbeit gemacht hat. Die ganzen Unterstützerunterschriften und bürokratischen Hürden und Aufwände waren sehr hart und das haben wir wirklich mit sehr wenig Personal stemmen müssen. Das ist auch schon mal ein Lob wert und ich würde mich freuen, wenn das die Bergneustädter anerkennen und uns dann auch am 13. September Ihre Zustimmung geben werden.”
Autorin: Amei Schüttler
Endlich eine Partei die, die wirklichen Probleme von Bergneustadt und den Bürgern zu Herzen nimmt. Weiter so und viel Erfolg….
Hoffe das die FWGB etwas e
rreichen kann. Diese miefenden alten Parteien, egal ob SPD, CDU oder die grünen haben seit Jahrzehnten immer die gleiche ausgrenzende Politik im Sinn. Es spielt keine Rolle welche von diesen Parteien oder deren Kandidaten gewählt werden. Die sind so etwas von gleichgeschaltet und betriebsblind, ich habe wenig hoffnung für die Bergneustädter. Klar gennante Partei stellt zwar keinen Bürgermeisteranwärter aber vielleicht einige Stadtabgeordnete die fähig sind andere Denkanstösse zu geben damit diese Gewohnheitstrinker mal aus ihrem Suff erwachen. Viel Erfolg für viele neue Abgeordnete im Stadtrat von Bergneustadt