Mitten im Industriegebiet Wiehl-Bomig ist die Firma BGS Beta-Gamma-Service GmbH & Co. KG ansässig. Auf den ersten Blick ist nichts außergewöhnlich – außer, dass sich die Lastwagen-Fahrer sprichwörtlich die Klinke in die Hand geben. „Zu Spitzenzeiten stehen die LKW bis auf die Straße Schlange“, berichtet BGS-Geschäftsführer Dr. Andreas Ostrowicki.
Aber was sorgt für dieses hohe Aufkommen? BGS ist kein Unternehmen, das produziert, sondern eines, das eine reine Dienstleistung für andere Unternehmen anbietet. Und zwar im Bereich Strahlenvernetzung und Strahlensterilisation. Kurz erklärt: In den entsprechenden Anlagen werden Elektronen beschleunigt und in einem Magnetfeld zu einem Strahl gebündelt. Dieser trifft dann auf verschiedene Produkte und löst darin einen chemischen Prozess aus, der das Material verändert. So werden zum Beispiel Kunststoffe temperaturbeständiger und abriebfester. Im Bereich der Strahlensterilisation werden mit Hilfe der beschleunigten Elektronen schädliche Keime unter anderem auf medizinischen und kosmetischen Produkten zerstört.
Dieser Prozess könne auch durch den Einsatz von Chemikalien durchgeführt werden, erklärt Ostrowicki. Nachteil sei aber, dass die Chemie in den Produkten bleibe. Beim Verfahren, das in Wiehl angewandt werde, werden die Elektronen zwar beschleunigt, aber es komme zu keiner Kernspaltung, so dass auch keine Radioaktivität freigesetzt werde. Diese Anwendung sei besonders im Bereich Tiernahrung und Kinderspielzeug interessant. Wer sein Tierfutter nach Amerika und Australien exportieren will, muss für eine keimfreie Lieferung sorgen. Besonders gute Kunden seien Importeure, die mit dem asiatischen Markt zu tun haben. Durch die Witterungsbedingungen und den langen Seetransport seien dort produzierte Waren keimgefährdet. Vor dem Weiterverkauf auf dem deutschen Markt werden sie sterilisiert.
Gegründet wurde das Unternehmen 1981 von Dr. Lothar Wiesner. Seine Grundidee: Bestrahlungstechnologie, deren Anschaffung, Einrichtung und Betrieb für viele Unternehmen zu komplex und kostspielig ist, bedarfs- und kundenorientiert anzubieten. 1983 hatte Wiesner sieben Mitarbeiter, 15 Kunden und zwei Elektronenbeschleuniger. 2011 betreuten 120 Mitarbeiter an drei Standorten etwa 600 Kunden aus 16 Ländern. Mittlerweile werden rund 2 Mrd. Euro Handelswert betreut.
Zwar gibt es in Deutschland und auch den USA Unternehmen, die diese Technologie nutzen, aber keines bietet sowie Beta- also auch Gammabestrahlung an. Und eben diese Ausprägung wirkt sich positiv aus. Ostrowicki: „Wir merken die wirtschaftlichen Probleme vor allem im Bereich der Verhärtung von Kunststoffrohren, da die Baubranche im Moment auch europaweit lahmt. Daher haben wir in dem Bereich weniger zu tun.“ Aufgefangen werde es aber durch den Bereich „Sterilisation“. Denn medizinische Produkte wie OP-Instrumente, Einwegspritzen oder DNA-Kits würden immer gebraucht.
Firmenhistorie:
1981: Firmengründung
1983: 0,59 MeV- und 3,0 MeV-Elektronenbeschleuniger gehen in Betrieb
1986: 3,5 MCi Kobalt60 Gamma-Anlage in Wiehl errichtet, Bruchsal wird mit einem 4,5 MeV-Elektronenbeschleuniger zweiter Standort
1990: Dr. Alfred Zyball wird zum Geschäftsführer bestellt
1993: 1,5 MeV-Elektronenbeschleuniger geht in Wiehl in Betrieb
1997: Inbetriebnahme der 5 MCi Kobalt60 Gamma-Anlage in Wiehl
1998: Umbau der Gamma-Anlage in Wiehl zum 2,5 MeV-Elektronenbeschleuniger
2000: Saal a. d. Donau wird mit einem 10 MeV-Elektronenbeschleuniger zur hochautomatisierten Bestrahlung von Stückgut dritter BGS-Standort
2002: Neubau eines 10 MeV-Elektronenbeschleunigers zur Bestrahlung von Teilen mit Abmessungen bis zu 12 m x 1,60 m in Bruchsal
2008: Dr. Andreas Ostrowicki übernimmt die Geschäftsführung
2009: Neubau eines 5 MeV-Beschleunigers am Standort Saal a. d. Donau
2012: Baubeginn für eine neue Halle in Bomig
Text: Simone Hawellek
Bilder: BGS Beta-Gamma-Service GmbH & Co. KG