Die Spiele VfL Gummersbach gegen den TSV GWD Minden (früher Grün-Weiß Dankersen) gehören zu den Traditionsduellen im deutschen Handball, denn diese beiden Klubs lieferten sich schon vor Einführung der Handball-Bundesliga (1966) unvergessliche Duelle um die westdeutsche Meisterschaft in der Dortmunder Westfalenhalle. Wenn die Ostwestfalen am kommenden Samstag in der Gummersbacher SCHWALBE arena ihre Visitenkarte abgeben, dann steht vor allem für die Gastgeber des VfL ungemein viel auf dem Spiel, wie ein Blick auf die Tabelle nach dem 28. Spieltag deutlich macht: Während der Aufsteiger von der Weser als Tabellen-11. mit 22:34 Punkten den Klassenerhalt so gut wie geschafft haben dürften, befinden sich die Schützlinge von Interimstrainer Sead Hasanefendic mit 17:39 Punkten in akuter Abstiegsgefahr und nur einen Punkt vor dem TBV Lemgo (16:40), der augenblicklich den dritten Abstiegsrang (vor dem HSC 2000 Coburg/9:47 und HBW Balingen-Weilstetten/15:41) einnimmt.
„Ich erwarte ein Duell auf Augenhöhe. Minden wird uns gar nichts schenken, auch wenn sie bereits gerettet sind“, erklärte VfL-Trainer Sead Hasanefendic, der auch auf die Heimstärke seiner Jungs sowie die tolle Unterstützung der Fans setzt. Im letzten Heimspiel gegen Hannover habe sein Team genau die Tugenden gezeigt, auf die es nun ankomme. „Das Kollektiv zählt und die Leidenschaft. Wir müssen kämpfen von der ersten bis zur letzten Minute. Wir spielen in der stärksten Liga der Welt, und es stehen entscheidende Wochen an“, proklamiert der VfL-Trainer, der den Gegner aus Minden kadermäßig im Vorteil sieht: „Sie haben einen starken breiten Kader, sind eingespielt und spielen einen modernen Handball.“ Sein Team müsse dem Gegner mit dem hundertprozentigen Einsatz begegnen und seine Chance suchen. Ferner müssen man den Ausfall von Nationalspieler Julius Kühn weiterhin kompensieren, aber auch das sei im Kollektiv möglich. „Wir haben mit Andreas Schröder, Simon Ernst und Christoph Schindler drei Spieler für zwei Rückraumposition. Die Qualität ist somit vorhanden“, erklärt Hasanefendic.
Dass der Aufsteiger aus Minden schon sechs Spieltage vor dem Saisonfinale so gut wie sicher das „rettende Ufer“ erreicht hat, ist angesichts des Kaders der Ostwestfalen nicht überraschend. Schon vor dem Saisonstart stand für die Handball-Fachwelt fest, dass die Schützlinge von Trainer Frank Carstens kein „normaler Aufsteiger“ sind, denn nach dem unglücklichen Abstieg in der Saison 2014/15, als angesichts des Lizenzgerangels um den HSV Hamburg am Ende vier Mannschaften den Weg in die 2. Liga antreten mussten, waren fast alle Leistungsträger beim TSV geblieben und die Ostwestfalen schafften in souveräner Manier den direkten Wiederaufstieg. Und die Stärke der Mindener bekamen Christoph Schindler & Co. auch schon im Hinspiel zu spüren, als es für den VfL in der Mindener Kampa-Halle eine bittere 22:34-Niederlage gab.
Zwar hofft der VfL am Samstag wieder auf eine ähnliche Unterstützung der eigenen Fans wie beim letzten Heimspiel gegen den TSV Hannover-Burgdorf, aber dennoch reisen die Mindener mit Sicherheit nicht ins Oberbergische, um die Punkte hier kampflos abzuliefern. Und zu welchen Leistungen die Mannschaft um den schwedischen Spielmacher Dalibor Doder, der im Angriff der Denker und Lenker der Mindener ist, auch in fremden Hallen fähig ist, bewies sie erst kürzlich beim Gastspiel in der Kieler Sparkassen-Arena, als sie dem THW Kiel im eigenen „Wohnzimmer“ ein 23:23 abtrotzte.
Dabei war es ausgerechnet der Ex-Kieler Torhüter Kim Sonne Hansen, der die THW-Angreifer mit seinen Paraden zur Verzweiflung brachte und maßgeblichen Anteil an dem überraschenden Punktgewinn hatte. Der dänische Nationaltorhüter bildet zusammen mit dem holländischen Internationalen Gerrit Eijlers ein sehr gutes Torhütergespann und hat es inzwischen zur Nr. 1 zwischen den Pfosten des TSV GWD gebracht. Äußerst stark sind die Mindener auch im Rückraum besetzt, wo bisher der Linkshänder Christoffer Rambo die vereinsinterne Torschützenliste mit 120/4 Toren anführt, gefolgt von Rechtsaußen Aleksander Svitlica (111/39), der – genau wie sein Gegenüber auf dem linken Flügel, Charlie Sjöstrand – für seine schnellen Kontertore gefürchtet ist.
Glanzstück des kommenden VfL-Gegners ist aber der gesamte Rückraum, denn Trainer Carstens hat hier neben Rambo und Doder mit Helge Freimann, Florian Freitag, Sören Südmeier, Moritz Schäpsmeier sowie Nenad Bilbija, der allerdings verletzungsbedingt ausfallen dürfte, weitere Hochkarätiger im Kader und buchstäblich die Qual der Wahl. Und neben der Flügelzange Svitlica/Sjöstrand ist der TSV GWD Minden auch auf der Kreisläuferposition hervorragend besetzt. So ist der Ex-Gummersbacher Joakim Larsson in dieser Saison nur noch „zweite Wahl“ hinter dem norwegisch/schwedischen Duo Magnus Gullerud/Magnus Jernemyr. Die eigentliche Stärke der Ostwestfalen ist aber die mannschaftliche Geschlossenheit und die Breite des Kaders, denn Frank Carstens kann auf jeder Position zwischen zwei fast gleichstarken Akteuren auswählen.