SG Flensburg-Handewitt – VfL Gummersbach (Mittwoch, 19 Uhr, Flens-Arena).
Dieser Gegner ist vom Grundsatz her denkbar ungeeignet, um Wiedergutmachung für die vor allem in der ersten Halbzeit enttäuschende Vorstellung gegen den amtierenden Deutschen Meister Rhein-Neckar-Löwen zu betreiben – eher im Gegenteil: Nur eine Woche nach der deftigen 20:27-Heimpleite müssen Christoph Schindler & Co. bei Spitzenreiter SG Flensburg-Handewitt antreten, der mit 12:0 Punkten die Tabelle anführt und nach dem 6. Spieltag die einzige noch verlustpunktfreie Mannschaft in der HBL ist. Die Truppe von Trainer Ljubomir Vranjes, die sich in der vergangenen Saison knapp hinter den „Löwen“ mit der Vizemeisterschaft begnügen musste, gilt in dieser Saison als ein heißer Meisterschaftsanwärter.
Diesem Anspruch wurde die Mannschaft von der dänischen Grenzen im bisherigen Saisonverlauf gerecht, wobei sie vor allem mit dem 21:17-Sieg in der Mannheimer SAP-Arena ihre Ambitionen nachdrücklich unter Beweis stellte. Und auch der TBV Lemgo konnte am vergangenen Sonntag in der heimischen Lipperlandhalle den Siegeszug der Flensburger nicht stoppen. Beim 33:29-Sieg waren Kreisläufer Henrik Toft Hansen und Linksaußen Anders Eggert mit je sechs Toren die erfolgreichsten SG-Werfer, gefolgt von dem fünffachen Torschützen Holger Glandorf.
Die Rollen sind also verteilt, aber VfL-Trainer Emir Kurtagic möchte das Auswärtsspiel im hohen Norden keinesfalls zum reinen Erfahrungstrip degradieren: „Natürlich hat Flensburg eine sehr, sehr starke Mannschaft, aber unbesiegbar sind sie auch nicht.“ Vielmehr habe der SC Magdeburg durch eine überragende Leistung bewiesen, wie man die SG an den Rand einer verdienten Niederlage bringen könne. „Dafür benötigen wir aber eine nahezu fehlerfreie Vorstellung, und davon waren wir in den letzten beiden Spielen weit entfernt“, bilanziert der VfL-Trainer. Vor allem gegen die Rhein-Neckar Löwen war die Chancenverwertung mangelhaft, was für Kurtagic immer noch unerklärbar ist: „Vielleicht fehlt das Selbstvertrauen, vielleicht machen sich die Spieler auch zu viele Gedanken? Ich weiß es nicht. Fakt ist. Wir müssen es besser machen.“
Gelingt dies nicht, könnte dem VfL ein böses Erwachen drohen. Denn bringt man Torhüter Matthias Andersson (Kurtagic: „Vielleicht der beste Torhüter der Liga“) einmal auf Betriebstemperatur, dann kann Flensburg einen Gegner in kürzester Zeit über den Gegenstoß auseinandernehmen. Man werde also ebenfalls neben einer starken Deckung eine adäquate Torhüterleistung benötigen, und während Matthias Puhle in den letzten Spielen regelmäßig zur Stelle war, erwartet Kurtagic von seiner Nummer eins Carsten Lichtlein mehr: „Er wird sich steigern müssen. Ich denke aber, dass wir sehr bald wieder seine gewohnten Leistungen sehen werden.“
Dass die SG Flensburg-Handewitt in dieser Saison von vielen Experten als der erste Titelanwärter gehandelt wird, kommt sicherlich nicht von ungefähr. Denn schon in der letzten Saison war die SG in der Rückrunde die dominierende Mannschaft, konnte den Halbzeitrückstand auf die Rhein-Neckar-Löwen aber nicht mehr ganz aufholen. Und in dieser Saison ist die Vranjes-Truppe mit einer eingespielten Mannschaft in die Saison gegangen, denn es gab in der Sommerpause so gut wie gar keine Fluktuation im Team des Vizemeisters. Lediglich der kroatische Kreisläufer Kresimir Konzina, der in der vergangenen Saison nach dem langen Ausfall von Anders Zacharissen nachverpflichtet worden war, verließ die SG in Richtung Füchse Berlin. Und der ohnehin schon mit zahlreichen Weltklasseleuten bestückte Rückraum wurde noch durch den Kroaten Ivan Horvat verstärkt. Zwar muss Trainer Vranjes derzeit noch auf den Dänen Rasmus Lauge, der mit seinem Kreuzbandriss wohl erst in der Rückrunde wieder zum Einsatz kommen dürfte, verzichten, aber dafür ist der Serbe Petar Djordjic nach langer Verletzungspause wieder im Kader und hat inzwischen zu seiner alten Torgefährlichkeit zurückgefunden.
Im Tor viel über Matthias Andersson (38) zu erklären, hieße „Eulen nach Athen“ tragen. Der „alte Schwede“, der zudem mit Kevin Möller einen erstklassigen „Ersatzmann“ in der Hinterhand hat, ist trotz seiner 38 Jahre immer noch einer der besten Torhüter der Welt und kann an einem guten Tag oft ein Spiel allein entscheiden, wie auch unsere Werfer in der Vergangenheit leider oft erfahren mussten. Und im Rückraum kann Trainer Vranjes mit Holger Glandorf, Thomas Mogensen, den Ex-Gummersbacher Kentin Mahe, Johan Jakobsson, Jim Gottfridsson und Petar Djordjic gleich auf ein halbes Dutzend Weltklasseakteure zurückgreifen.
Und die Flügelzange der SG mit Anders Eggert/Hampus Wanne (Linksaußen) und Lasse Svan/Bogdan Radivojevic (Rechtsaußen) gehört wohl zu den besten in der ganzen HBL, was auch auf das Kreisläufertrio Henrik Toft Hansen, Anders Zachariassen und Jacob Heinl zutrifft. Nicht zu vergessen Kapitän Tobias Karlsson, der zu den wohl weltbesten Abwehrspezialisten zählt – und im Zusammenspiel mit Matthias Andersson oft der Ausgangspunkt für Tempogegenstöße der Flensburger ist. Das bedeutet im Umkehrschluss: Wenn der VfL in der Flens-Arena nicht böse unter die Räder kommen will, dann müssen die Schützlinge von Trainer Emir Kurtagic im Angriff sehr konzentriert agieren und die Fehlerquote minimieren, um die Gastgeber nicht zu ihren gefürchteten Tempogegenstößen einzuladen.