Das „Soundbar“-Konzert in der JVA Celle
Nach einer 2-monatigen Gefängnis-Pause und einigen „normalen“ Konzerten, war es dann wieder soweit, der Tourbus fuhr Richtung JVA Celle. Das Magazin „Spiegel“ hatte sich für dieses Konzert angemeldet und wollte uns begleiten, wir mussten es allerdings aus zeitlichen Gründen auf das Abschlusskonzert im Mai in Köln verlegen. Die Fahrt war relativ entspannt und durch die Pause und den Soundbar-Konzerten neben der Tour, hatten wir ein wenig Abstand von den letzten JVA-Erfahrungen bekommen und so fuhren wir fromm, fröhlich, frei dem nächsten Knast entgegen.
In Celle selbst wurde es dann schlagartig mysteriös. Es ging die letzten fünf Kilometer durch einen Wald, und im Nebeldunst erkannten wir dann von weitem die Mauern der Justizvollzugsanstalt. Wir philosophierten darüber, wie weit wohl jemand in dieser Wald-Gegend kommt, wenn er aus dem Knast flieht – Später sollten wir die Antwort bekommen…
Die Anstalt in Celle war das erste Gefängnis auf der Tour, das von außen an einen Knast aus den Ami-Filmen erinnerte. Das Eingangs-Tor in den Mauern bestand aus einem in Stacheldraht umwickelten Stahl-Zaun, sehr freaky Anblick im Nebel. Noch verrückter wurde es dann bei der Kontrolle der Band und des Busses. Nachdem die Kontrolle in Heinsberg und Rohrbach noch überschaubar war, wurde in Celle jeder von uns von einem 2-Meter-Beamten (breit wie hoch) alleine in einen Raum geführt und von oben bis unten kontrolliert. Dabei ließ er es sich nehmen den ein oder anderen Spruch rauszuhauen und so lockerte es etwas die Stimmung.
Ein weiterer Beamter, der den ganzen Tag für uns zuständig war, führte uns durch den Gefängnis-Hof in den Veranstaltungs-Saal (die Halle wird auch als Sporthalle für den Knast-Tischtennis-Verein genutzt). Der Ami-Film-Eindruck der von außen noch auf uns wirkte, legte sich dann im Innenhof, da dieser an eine Metall-Firma (nur mit Gittern vor den Fenstern) erinnerte.
Im Saal begrüßte uns ein älterer Herr (67 Jahre alt). Er erzählte uns, dass er Gummersbach vom Handball kennt und sogar dort gespielt hat. Klein ist die Welt. Ein kleiner Schock dann, als er auf Harrys Frage „Mit 67 Jahren immer noch am Arbeiten?“ mit einem Lächeln antwortete „Tja, ich war dreckig“. So stellten wir also erst nach 15 Minuten fest, dass es sich bei dem Herren nicht um einen Mitarbeiter, sondern um einen Gefangenen handelte! Der ältere Herr betreute uns dann den ganzen Tag mit Knast-Essen (Gulaschsuppe, Gemüsesuppe, Obst) und Getränken, und wir sahen und spürten was ihm das für eine Freude bereitete, denn er strahlte jedes Mal wenn er rief „Jungs! Hier ist frischer Kaffee! Ich weiß doch, dass Musiker ohne Kaffee nicht können!“. Vor Konzertbeginn schon war das für uns eine sehr krasse Erfahrung, und wir danken dem älteren Herren für diese tolle und sehr freundliche und liebevolle Betreuung und Bewirtung.
Dann ging die Arbeit los, wir waren ja nicht zum Spaß hier! Aufbau und Soundcheck verliefen flott, und so stand das Set auf einer Bühne mit dem großen Niedersachsen-Wappen an der Wand im Hintergrund und 60 bestuhlte Plätze vor uns.
Es begrüßte uns der JVA-Direktor, und zu unserer Überraschung folgten kurz darauf ca. 10 Personen Ü-60! Wir hatten schon die Befürchtung, dass hier irgendwie nur Häftlinge in diesem Alter am Start sind und wir den Sound vielleicht ein wenig leiser drehen sollten, aber dann wurden sie uns als ehemalige Politiker und Beamte vorgestellt, die auch unser Konzert sehen wollten und eingeladen wurden. Auweia! Das kann ja heiter werden!
Und das wurde es auch, denn eine ca. 70-Jährige junge Frau lieferte den Spruch des Jahres, der unser Tourleben wahrscheinlich noch lange begleiten wird. Sie kam zu uns und sagte vor allen Anwesenden: „Ich habe Euer Plakat gesehen, sehr schön, das gefällt mir gut. Aber Moment…Sie sind ja zwei Frauen?!“ Und zeigte dabei auf unsern William, der sich kurz zuvor die Zöpfe geflochten hatte. Knaller! Von da an waren wir Dudes mit der Frau und eigentlich hätte die Gangsta-Faust folgen müssen!
Dann war es soweit – Showtime! Eine Etage über der Halle warteten wir in einem Gang während die Insassen eingeführt wurden. Insgesamt warteten dann 60 Leute auf den Stühlen. Wie immer, war die Aufregung dann vor dem Konzert doch sehr groß und nach einer Ankündigung vom Direktor gings los – Augen zu und durch. Wie bei den andern Knast-Konzerten, war das Publikum anfangs erstmal wieder skeptisch. Die ersten 3 Songs kam es uns so vor, als hätte nur der JVA-Direktor seinen Spaß, der klatschend und lächelnd von rechts nach links lief. Ab der Hälfte des Konzertes wurde das Publikum dann deutlich lauter und das letzte Viertel lief dann in eine große Party über.
Nach lauten Zurufen spielten wir mehrere Zugaben und feierten zusammen den Ausklang des Tages! Der JVA Direktor stand mittlerweile auf einem Stuhl, die 70-jährige Politikerin swingte kopfnickend mit, und auch der ältere Herr der uns den ganzen Tag betreute, hatte ein strahlendes Gesicht. Es war für uns ein schöner Anblick und es fühlte sich wieder richtig an was wir mit dieser Tour anstreben – gemeinsam die Musik und das Leben (auch wenn es für viele dort hart ist) zu feiern! Auch nach der Show hatten wir zum ersten Mal langen Kontakt mit den Häftlingen, die zu uns kamen und sich unfassbar dankbar zeigten. Wir waren selbst von dieser Überflutung an Gratulationen von den Häftlingen überrascht. Einfach abgefahrenes Zeug für den Kopf!
Nachdem die Häftlinge wieder in ihre Zellen geführt wurden, und auch die älteren Herrschaften gegangen waren, war wieder Abbau angesagt und die Ausfahrt aus dem Knast-Tor. Die JVA Celle war für uns ein sehr persönliche Erfahrung im Umgang mit Gefangenen. Am Knast-Tor bekamen wir dann noch eine Antwort auf unsere Frage der Hinfahrt. In den 90-ern schaffte es tatsächlich ein Gefangener über die Mauern und das Stacheldraht. Mit einem gebrochenen Bein vom Sturz kam er jedoch nur bis in den Wald hinein und begrüßte dann die Polizei die hinter ihm her war mit „Bitte bringt mich wieder zurück.“
Am 20. April geht die JVA-Reise dann weiter nach Büren. Dort spielen wir dann zwei Konzerte für Insassen in Untersuchungshaft und Abschiebehaft, das heißt 100% Ausländer. Wir sind sehr gespannt, was uns dort erwartet. Der TV-Sender ERF und das Teensmag werden uns an diesem Tourtag begleiten.
Weitere Infos zur Tour gibt es hier.