Was heißt eigentlich „Bestallung“ als Fachwort in der Jugendhilfe? Sprach- und Kulturmittler begeben sich auf das dünne Eis des Dolmetschens von Fachbegriffen
Oberbergischer Kreis – Dolmetschen ist nicht nur eine Sache der Sprache, es muss auch der kulturelle Hintergrund mit gedacht, gefühlt und in die andere Sprache mit hinüber genommen werden. Und darüber hinaus müssen Dolmetscher sich in die Fachsprache vieler verschiedener Institutionen und Fachgebiete einarbeiten, sei es eine soziale Beratungsstelle wie der Caritasverband, eine Behörde oder der medizinische Sektor, die Wirtschaft und Arbeitswelt oder der Sportbereich.
„Dialog zu dritt – für gleiche Rechte“ heißt der Kurs, den der Caritasverband für den Oberbergischen Kreis mit seinem Fachdienst für Integration und Migration in Kooperation mit dem Katholischen Bildungswerk über sechs Monate ausgerichtet hat. Und in diesem Kurs ist genau dies das Thema: So nah wie möglich dolmetschen. Der Inhalt des Gesagten muss aber auch im Mantel des Fachterminus erfasst werden. Was heißt denn nun „Bestallung“ im Bereich der Jugendhilfe? Es handelt sich um den Fachbegriff für eine Urkunde vom Gericht, in der der Vormund festgelegt wird. Also hat Bestallung nichts mit Kuhstall und Vormund nichts mit Mund zu tun.
Damit solcher Wortsalat gar nicht erst entsteht und in der Arbeit des Fachdienstes Migration und Integration des Caritasverbands für den Oberbergischen Kreis t zu Missverständnissen führt, dafür steht Regina Dusi-Schütz. Sie ist langjährige Beraterin von Migrantinnen und Migranten im Oberbergischen Kreis und arbeitet seit fünfzehn Jahren mit Dolmetschern, wenn in ihrer Beratungsarbeit ihr Englisch und Italienisch nicht ausreichen. „Sprache ist kein Problem, wenn gut gedolmetscht wird“, weiß sie aus dieser Erfahrung. „Im Gegenteil: Es gibt nichts Spannenderes als Kulturen zu vergleichen, selbst wenn man noch keine gemeinsame Sprache hat“. Durch gutes Dolmetschen lernen die neu nach Deutschland gekommenen Menschen schnell mit eigenen Worten die für sie wichtigen Dinge zu benennen. Diese Erkenntnis ist die Basis zur Entwicklung des Kurses. Maßgeblich an der Konzeption der Qualifizierung von Sprach- und Kulturmittlern war Antje Schwarze als Ethnologin aus Köln.
Sieben Jahre lang hat sie deutschlandweit ein Netzwerk von Sprach- und Integrationsmittlern aufgebaut. Aus diesem Konzept ging der Kurs der Sprach- und Kulturmittler hervor. Antje Schwarze tat noch mehr, indem sie von zwei Seiten an die Sprach-Barrieren heranging: Im Oberbergischen hat sie Institutionen wie Jobcenter , Gesundheitsamt, Jugendamt, Schuldnerberatung, Schwangeren-Beratung , Erziehungs- und Familienberatung inhaltlich sensibilisiert, damit der spezifische Fach-Wortschatz bei künftigen Einsätzen den Sprach- und Kulturmittlern geläufig ist. Mit der gerade abgeschlossenen Qualifizierungs-Maßnahme wurde auf diese Weise ortsnah eine Lücke der Verständigung zwischen Migrantinnen und Migranten und den Einrichtungen, Beratungsstellen und Behörden im Oberbergischen Kreis geschlossen.
Die sechzehn Sprach- und Integrationsmittler und Mittlerinnen stammen aus Albanien, dem Libanon, Bulgarien, Rumänien, Italien, Iran, Polen , Pakistan, Syrien und Deutschland. Sie dolmetschen zwischen Deutsch und ihren Landessprachen, aber auch in Urdu und Panjabi (Pakistan und Nordindien), Farsi (Iran und Afghanistan) und Ungarisch. Missverständnisse entstehen oft weit vor dem ersten Wort. Doch wo gut gedolmetscht wird, ist Sprache kein Problem und Verständigungs-Probleme können aus dem Weg geräumt werden. Die Fachkräfte in den einzelnen Abteilungen und Einrichtungen können sich zu einer Schulung des Katholischen Bildungswerks im Herbst 2016 anmelden. Die Beratung eines Klienten mit Dolmetscher stellt Fachkräfte und Klienten vor besondere Herausforderungen. Wenn man gelernt hat, die Instrumenten des „Dialogs zu dritt“ gut zu nutzen, dann gelingt Hilfe zur Selbsthilfe.
Der Klient lernt durch gutes Dolmetschen in kurzer Zeit, die richtigen Worte zur Beschreibung seiner Situation und seiner Wünsche zu finden. Auch kann er genauer darbrin-gen, welche Qualifikationen er mitbringt. Die Sprach- und Kulturmittler sind freiberuflich tätig und stellen ihre Dienstleistung sowie die Fahrtkosten in Rechnung. Sie sind keine vereidigten Dolmetscher. Die Kontaktdaten können unter 306-0 Zentrale des Caritasverbands für den Oberbergischen Kreis erfragt werden.