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Jörg Lützelberger im Interview

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„Das läuft nur, wenn alle mitziehen”
Der Urlaub ist gerade beendet, da geht es für Jörg Lützelberger schon wieder in die Vollen. Die ersten Trainingseinheiten, ein Vortrag im Gummersbacher Lions Club über die Nachwuchsförderung des VfL und viele andere Dinge, um die sich der 29-jährige kümmern muss, lassen die entspannten Tage mit der Familie in Thüringen und in Ulm rasch vergessen. Dem Spaß an seiner Arbeit als Co-Trainer der Bundesliga-Mannschaft und als Leiter der Nachwuchs-Akademie tut das allerdings keinen Abbruch. Auch deshalb, weil den VfL aus dem Hause der HBL in Dortmund gute Nachrichten erreichten: Gummersbach erhält das Jugendzertifikat der Liga – als einer von acht Klubs sogar mit Stern. Wir unterhielten uns mit dem ehemaligen Profi des Traditionsklubs.

Glückwunsch zur Verleihung des Jugendzertifikats mit Stern. Der VfL Gummersbach scheint auch ein mehr als passabler Ausbildungsverein zu sein.
Jörg Lützelberger: Definitiv! Die Tendenz geht ganz klar in die richtige Richtung. Wir haben im Jahr 2012 einen Neustart in der Nachwuchsarbeit gemacht, mit dem Ziel Spieler für den eigenen Profi-Kader auszubilden. Bis dahin wechselten unsere ausgebildeten Talente entweder zu irgendeinem Zweitligisten, oder aber sie gingen zu einem anderen Erstligisten. Damals drehten wir dann unsere Philosophie und beschlossen, den Level so anzuheben, dass unsere Spieler in unser Erstligateam passen können.

Ist das vordergründig Ihr Verdienst, dass der VfL in Sachen Nachwuchs so glänzend dasteht?
Lützelberger: Ich hoffe sehr, dass ich meinen Teil dazu beitrage, denn ich betreibe mit meinem Team seit über zwei Jahren wirklich großen Aufwand. Ich habe zum Abschluss meines Studiums meine Diplomarbeit über die Anschlussförderung hier im Verein geschrieben, weil ich genau hier die entscheidende Schnittstelle zwischen guter Jugendarbeit und Leistungssport im Profibereich sehe. Es sind inzwischen unglaublich viele Hände von Mitarbeitern, Eltern und ehrenamtlichen Helfern die anpacken und bereits sehr viel bewegt haben. Zudem haben wir in Frank Flatten einen Geschäftsführer, der die Nachwuchsförderung nicht nur als Imagesache betrachtet, sondern mit uns gemeinsam konkrete Ziele verfolgt. Wir wollen als Verein, dass die jungen Talente viel Zeit in ihre Ausbildung als Handballer investieren. Und dabei unterstützen wir sie.

Und wie?
Lützelberger: Der VfL investiert viel Geld für seinen Nachwuchs. Wir haben uns dazu entschieden, den Großteil davon in die Qualität unserer Ausbildung und damit in erster Linie in die Qualität der Trainer zu investieren. Junge Talente können bei anderen Klubs sicher den einen oder anderen Euro mehr verdienen, wir wollen die jungen Spieler unter dem Stichwort „Duale Karriere” ganzheitlich fördern und fordern. Das heißt, wir bilden sie einerseits auf höchstem Niveau zum Handballer aus, helfen andererseits in der Berufsausbildung oder beim Studium. Unser Partner „Moment: Talent!”, eine Berufswegeberatung aus Gummersbach, hilft uns dabei gewaltig. Innerhalb der Nachwuchsakademie gibt es seit 2014 auch die VfL-Eliteförderung – so etwas wie der kleine Bruder der Initiative des DHB.

Dabei geben wir nicht nur ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit und Zusatzbehandlungen an die ausgewählten Spieler weiter, sondern erwarten auch einiges mehr von diesen Talenten. So wie DHB-Vizepräsident Bob Hanning es in seinem „Deutschlandbuch” – einem Verhaltenskodex für Nationalspieler – fordert, erwarten auch wir von unseren Leuten ein entsprechendes Auftreten: Anti-Doping, respektvolles Auftreten, eine jederzeit tadellose Repräsentation des Klubs, eine Vorbildfunktion und viel Bemühen in der Persönlichkeitsentwicklung.

Lützelberger Quelle: VfL Handball Gummersbach GmbH
Lützelberger
Quelle: VfL Handball Gummersbach GmbH

Und das läuft?
Lützelberger: Das läuft nur, wenn alle mitziehen. Ich weiß nicht, ob Sie die TV-Serie „How I met your mother” kennen. Da gibt es diesen Typen Barney Stinson, der in seinem Büro unzählige Poster mit verschiedenen Schriftzügen hängen hat. In unserem Büro hängt das mit der Aufschrift „Teamwork“. Alles, was hier in Gummersbach in den vergangenen zwei Jahren erreicht wurde, haben wir im Team geschafft.

Trainer, Betreuer, Spieler, Eltern – alle haben hier mitgeholfen. Da hat niemals irgendwer auf die Stechuhr geschaut. In aller Regel gehen wir erst dann nach Hause, wenn alles fertig ist. Und natürlich liegt jeder mal hier und da nicht richtig. Wenn das passiert, nehmen wir uns der Sache an und versuchen alle daraus zu lernen und uns weiterzuentwickeln.

Wie durchgehend ist die Spielphilosophie des Klubs denn?
Lützelberger: Das ist eine spannende Frage und es gibt wohl kein Richtig und Falsch dabei. Es gibt zum Beispiel Klubs, die trainieren von der 1. Männermannschaft bis zur C-Jugend durchgehend ein und dasselbe Abwehrsystem. Diese Teams spielen in allen Altersklassen natürlich sehr effektiv zusammen.

Bei uns ist das etwas anders. Die individuelle Entwicklung steht über den Erfolgen einzelner Mannschaften, die wir lediglich als Ergebnisse guter Arbeit betrachten anstatt als Ziele. Im Abwehrbereich gibt es fast in jeder Altersklasse ein anderes Abwehrsystem. Unsere Trainer richten sich nach den Stärken der Spieler und variieren bei den Älteren Teams die Detaillösungen auch mal orientiert am kommenden Gegner. Es gibt natürlich einheitliche Grundlagen in Dingen der individuellen Schulung, des Zweikampfverhalten, der Kooperationsleistungen, des Gegenstoßverhaltens, des Angriffsspiels, der Positionsschulung etc. In diesen Bereichen gibt es viele übergreifende Gemeinsamkeiten, die die Durchlässigkeit für die Spieler zwischen den einzelnen Teams deutlich erhöht. Ich glaube aber trotzdem daran, dass Spieler später flexibler und effektiver agieren können, wenn sie mehrere Systeme in ihrer Ausbildung kennen gelernt haben. Das Entscheidende ist und bleibt die individuelle Qualität.

Deuten sich in absehbarer Zeit weitere Erstligakandidaten an?
Lützelberger: Da gibt es schon einige. Vor allem unser ´97er Jahrgang macht viel Hoffnung. Sebastian Schöneseiffen ist ein klasse Spielmacher, der gerade sein Abi baut. Oder auch Simon Lubberich als physisch starker Rückraumspieler, der bereits seine ersten Länderspiele gemacht hat. Unser größtes Talent ist sogar noch jünger. Marcel Timm, übrigens gebürtiger Oberberger, ist Jahrgang ´98, spielte aber beim DHB bereits mit den ´96ern zusammen. All diese Spieler werden wir noch stärker an uns binden und über das duale System weiter fördern. Über die 3. Liga sollen sie dann allmählich an die Bundesliga herangeführt werden. Da sind noch einige andere Jungs dabei, die vielversprechend sind. Aber alle zusammen sind noch sehr jung und benötigen Zeit und vor allem viel Training. Wir wollen ihnen diese Zeit geben und die notwendigen Bedingungen schaffen.

Seit dem 1. Januar gilt das Gesetz zum Mindestlohn. Erschwert das die Finanzierung der Jugendarbeit im Verein?
Lützelberger: Das Gesetz macht es uns unheimlich schwer, und ich glaube, dass es so nicht funktionieren wird. Das wird zwangsläufig zu neuen und merkwürdigen Lösungen führen. Ich gehe davon aus, dass alle Vereine im Leistungsbereich prüfen werden, wie sie vertragliche Umgestaltungen vornehmen können, um den Nachwuchsspielern den Status eines Azubis geben zu können. Toll ist das nicht. Der Nachwuchs soll in Spielen, Trainings, Reisen und Reha arbeiten wie die Profis, kann aber nicht annähernd wie Profis bezahlt werden. Es wäre sehr schade, wenn das System mit A-Trainern, herausragenden Trainingsmöglichkeiten, Unterbringung und Versorgung dadurch an Qualität verlieren würde, weil die Budgets durch Gehälter so viel stärker aufgebraucht werden. Genauso schade wäre es, wenn das Konzept mit einer eigenen zweiten Männermannschaft für die Klubs überhaupt nicht weiter finanzierbar bleibt.

Sie selbst sind noch nicht einmal 30 Jahre alt. Kein Bock mehr auf Bundesligahandball?
Lützelberger: Doch, sehr sogar. Aber ich habe noch mehr Bock, den Bundesligahandball von der anderen Seite her kennenzulernen. Ich hatte eine wirklich tolle Karriere, und ich werde dem VfL ewig dankbar sein, für die Möglichkeit in der stärksten Liga der Welt zu spielen, Europapokale zu gewinnen und sogar an der Championsleague teilzunehmen. Aber ich hatte auch die Maxime, nicht erst dann aufzuhören, wenn mein Körper mich dazu zwingt. Das ist mir gelungen. Jetzt habe ich neue Aufgaben. Ich liebe es zu gestalten und zu entscheiden, Spieler bei deren Entwicklung zu unterstützen und anzuleiten. Ich glaube, dass ich Talent für den Job habe und bin gespannt, wo die Reise als Trainer hingeht. Ich habe viele Jahre Zeit und stehe ganz am Anfang. Das erinnert mich an die freudige Erwartung zu Beginn meiner Spielerkarriere. Ich freue mich auf alles was da kommt.

Quelle: VfL Handball Gummersbach GmbH

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