Wenn die beiden Altmeister VfL Gummersbach und SC Magdeburg die Klingen kreuzen, dann werden speziell bei den älteren Handballfans Erinnerungen an legendäre Spiele auf internationaler Ebene wach. Der VfL und der Traditionsclub von der Elbe standen sich schließlich vor dem Mauerfall öfters in denkwürdigen Europacupspielen gegenüber – mit wechselnden Erfolgen. Jubeln konnten die VfL-Fans nach den beiden Endspielen im Europacup der Pokalsieger 1979, als er VfL den Zwei-Tore-Rückstand aus dem Hinspiel an der Elbe mit dem 15:11-Erfolg in der ausverkauften Dortmunder Westfalenhalle wettmachte und den begehrten Cup ins Oberbergische holte. Und auch 1991, im ersten und letzten Endspiel um die gesamtdeutsche Meisterschaft, hatten die Blau-Weißen aus dem Oberbergischen am Ende Grund zum Jubeln: In der heimischen Eugen-Haas-Halle gewannen sie mit 18:15, so dass sie im Rückspiel trotz der 14:16-Niederlage nach der Schlusssirene jubeln die Arme hochrissen.
Diese legendären Partien sind allerdings Vergangenheit, und die Gegenwart erinnert – zumindest aus Sicht unseres VfL Gummersbach – nicht mehr an diese glorreichen Zeiten. Im Gegenteil: Spätestens nach der bitteren 23:30-Heimschlappe am vergangenen Mittwoch gegen den MT Melsungen schrillen die Alarmglocken rund um die SCHWALBE arena, denn die Mannschaft um Kapitän Christoph Schindler steckt jetzt mitten im Abstiegskampf. Und auch in Gummersbach konnten sich die VfL-Verantwortlichen den Mechanismen im Sport nicht widersetzen und wollten mit der vorzeitigen Freisetzung von Trainer Emir Kurtagic ein Zeichen setzen. Da Dirk Beuchler, der bekanntlich am 1. Juli 2017 das Traineramt beim VfL antritt, vertraglich bis Ende Juni an den Schuldienst gebunden ist, wurde Sead Hasanefendic als „Feuerwehrmann“ bis zum Saisonende verpflichtet. Den Trainerfuchs (68) muss man den VfL-Fans nicht groß vorstellen, denn er war bekanntlich auch der Vorgänger von Emir Kurtagic und führte den VfL in den Jahren von 2009 bis 2011 zu den letzten drei großen internationalen Erfolgen im EHF-Cup und im Europacup der Pokalsieger.
Die jetzige Mission, die Klassenerhalt heißt, beginnt für Sead Hasanefendic, der bekanntlich seinen Wohnsitz immer noch in Gummersbach hat, am kommenden Mittwoch ausgerechnet bei der „Mannschaft der Stunde“ in der DKB-Handball-Bundesliga. Natürlich erwartet auch VfL-Geschäftsführer Frank Flatten keine Wunderdinge vom neuen Trainer: „Magdeburg hat einen Riesenlauf und ist klarer Favorit, aber Sead wird sicherlich auch viele Gespräche führen und versuchen, der Mannschaft Impulse zu geben.“ Hasanefendic hat bereits das heutige Training geleitet. Nach zwei weiteren Einheiten am morgigen Montag und dem Abschlusstraining am Dienstag, begibt sich der VfL-Tross anschließend in Richtung Magdeburg.
Der SC Magdeburg ist nach misslungenem Saisonstart mittlerweile in der Bundesliga mit 33:15 Punkten auf den 5. Tabellenplatz geklettert. Im EHF-Cup steht die Mannschaft von Cheftrainer Bennet Wiegert, dessen Stuhl zu Saisonbeginn bedenklich wackelte, der mittlerweile aber beim SCM fest im Sattel sitzt, bereits im Viertelfinale. Aber vor allem in der Bundesliga sorgten die Magdeburger, die seit 14 Spielen in Folge ungeschlagen sind, zuletzt für eine positive Schlagzeile nach der anderen. So musste nicht nur Rekordmeister THW Kiel durch die 26:27-Niederlage in der GETEC-Arena seine letzten Titelhoffnungen begraben, auch der Titelfavorit und Tabellenführer SG Flensburg-Handewitt kam an der Elbe nicht über ein 26:26 hinaus.
Die Magdeburger gehen also mit breiter Brust in das Traditionsduell mit unserem VfL, wobei sie ihr ohnehin schon großes Selbstvertrauen zuletzt noch durch einen klaren 36:24-Erfolg im EHF-Cup beim dänischen Vertreter KIF Kolding noch stärkten. In diesem Match waren einmal mehr Rechtsaußen Robert Weber (7/3) und der dänische Olympiasieger Michael Damgaard (6), der sich seit Wochen in einer bestechenden Form präsentiert, die erfolgreichsten SCM-Werfer. Großen Anteil an dem klaren Auswärtserfolg hatte aber auch Torhüter Dario Quenstedt, der zusammen mit dem dänischen Nationaltorhüter Jannick Green eins der besten Torhütergespanne in der HBL bietet.
Die letzten Erfolge der Truppe von Bennet Wiegert, der mit 35 Jahren der jüngste Trainer in der HBL ist, kommen nicht von ungefähr, denn der SCM ist nicht nur auf der Torhüterposition mit zwei international erfahrenen Klassenleuten besetzt. Verständlich, dass sich da die Favoritenfrage, die natürlich klar bei den Gastgebern liegt, erst gar nicht stellt. Zumal die SCM-Akteure noch auf Revanche für die 27:30-Hinspielniederlage in der SCHWALBE arena brennen. Nur zur Erinnerung: Am 24. September 2016 vernagelte VfL-Keeper Matthias Puhle nach ausgeglichener erster Halbzeit nach Wiederbeginn regelrecht sein Gehäuse, so dass Christoph Schindler einen 10:0-Lauf (!) hinlegten.
Und noch ein Blick zurück: Auch Sead Hasanefendic fährt mit guten Erinnerungen nach Magdeburg: Im Frühjahr 2015, als er beim TuS N/Lübbecke ebenfalls als „Feuerwehrmann“ eingesprungen war, saß er in der Magdeburger GETEC-Arena zum ersten Mal auf der Trainerbank des TuS – und legte mit einem sensationellen Sieg den Grundstein für den späteren Klassenerhalt der Nettelstedter.