MT Melsungen – VfL Gummersbach (Samstag, 19 Uhr)
Melsungen/Gummersbach – Die positiven Erinnerungen der Schützlinge von Trainer Emir Kurtagic an die beiden letzten Gastspiele beim MT Melsungen, in denen der VfL beide Male völlig überraschend beide Punkte aus der Kasseler Rothenbach-Halle entführte, sind zwar beim VfL nicht vergessen, gehören aber der Vergangenheit an. Die Gegenwart sieht vor dem Gastspiel von Christoph Schindler & Co. am Samstag in Oberhessen ganz anders aus: Während der VfL am vergangenen Sonntag durch die herbe 21:30-Heimklatsche gegen den wiedererstarkten HSV Hamburg recht unsanft auf den Boden der Realität geholt wurde, schwebt der MT Melsungen buchstäblich auf „Wolke sieben“: Die Schützlinge von Trainer Michael Roth, die schon vor dem Start in die Jubiläumssaison der hohe Saisonziele ausgegeben hatten und einen Europapokalplatz anpeilen, sind spätestens seit dem 33:32-Auswärtssieg beim Titel(mit)favoriten SG Flensburg-Handewitt so etwas wie die „Mannschaft der Stunde“. Nach fünf Spieltagen ist das Team um die Müller-Zwillinge (Michael und Philipp) immer noch ohne Verlustpunkt und führt mit 10:0 Punkten gemeinsam mit den Rhein-Neckar-Löwen die Tabelle an. Also: Die Frage nach dem Favoriten – und dem klaren Außenseiter – ist bei einem Blick auf die Tabelle und den letzten Spieltag in der Tat schnell beantwortet.
Kein Wunder, dass der Respekt bei VfL-Trainer Emir Kurtagic groß ist: „Melsungen hatte bereits in den letzten Jahre eine starke Mannschaft. Diese Saison wirken sie aber noch wesentlich gefestigter.“ Eine eingespielte Truppe wartet also auf den VfL, die auch den prominenten Abgang von Torhüter Appelgren bestens kompensieren konnte. „Auf uns wartet eine Partie, in der wir mit sicherlich nicht in der Favoritenrolle sind“, erklärt Kurtagic, für den aber vor allem eines auf der To-do-Liste steht: Wiedergutmachung. Wiedergutmachung für eine ganz schwache Leistung gegen Hamburg.
„Jeder Spieler weiß, dass diese Partie richtig schlecht war. Es gibt also überhaupt keinen Grund, Salz in die Wunden zu streuen. Wir müssen es einfach besser machen“, so Kurtagic, der Woche für Woche vor der Stärke und Kompaktheit der Liga warnt. „Man muss in jeder Partie hundert Prozent konzentriert sein und Gas geben, um überhaupt erst in die Situation zu kommen, um ein Spiel zu gewinnen.“ Das war gegen den HSV nicht der Fall und soll nun gegen die Mannschaft der Stunde besser werden. Auf keinen Fall mitwirken kann Gunnar Stein Jonsson, der sich gegen Hamburg einen Bänderriss zuzog. Christian Zufelde knickte ebenfalls mit dem Fuß um und wird voraussichtlich auch noch nicht zur Verfügung stehen.
Dass der MT Melsungen, der in der vergangenen Saison nur denkbar knapp die Fahrkarte für Europa verpasst hat, in dieser Saison so stark ist, überrascht die Handballexperten nicht wirklich. Schließlich kann Trainerroutinier Michael Roth auf ein eingespieltes Team bauen, das lediglich auf der Torhüterposition verändert (und verstärkt) wurde. Für die abgewanderten Mikael Appelgren (Rhein-Neckar-Löwen) und Per Sandström (IK Sävehof/Schweden) kamen Johan Sjöstrand (THW Kiel) und Rene Villadsen (ThSV Eisenach). Vor allem der 96fache schwedische Nationaltorhüter Johan Sjöstrand ist nach Überwindung der seltenen Infektion Malta-Fieber, die er sich bei der WM in Katar zugezogen hatte und ihn im Frühjahr viel Gewicht und auch Leistungsvermögen gekostet hatte, wieder in Bestform. Jedenfalls hat der Ex-Kieler mit 58 Paraden in 5 Spielen (Quote 36 %) bisher großen Anteil an dem Siegeszug der Melsunger.
Aber nicht nur im Tor ist die MTM bestens besetzt. Hier nur einige Kostproben: So hat Michael Roth auch ohne seinen noch verletzten Spielmacher Patrik Fahlgren im Rückraum mit Philipp und Michael Müller, Momir Rnic, Timm Schneider, der vom TBV Lemgo nach Oberhessen wechselte, Kapitän Nenad Vuckovic, Jan Forstbauer und Malte Schröder buchstäblich die Qual der Wahl. Und am Kreis bilden Marino Maric, der beim Auswärtssieg in Flensburg die Bestnote erhielt und neun Feldtore erzielte, und Felix Danner eins der wohl stärksten Gespanne in der Bundesliga. Und auch die Flügelzange Michael Allendorf/Jeffrey Boomhouver (links) und Johannes Sellin/Christian Hildebrand (rechts) erfüllt allerhöchste Ansprüche.
Und dass der MT Melsungen schon vor dem Saisonstart auch von Experten hoch gehandelt wurde, bewies Stefan Kretzschmar, der an das Team von Michael Roth im Fachmagazin „Handballwoche“ vier Handbälle („Europa, wir kommen“) verteilte und damit zu den Topteams zählte.