VfL Gummersbach – SG Flensburg-Handewitt (Mittwoch, 19 Uhr, SCHWALBE arena)
Einen dickeren Brocken hätte der Spielplan der DKB Handball-Bundesliga dem VfL Gummersbach zum Auftakt nach der sechswöchigen WM-Pause nicht servieren können. Ausgerechnet gegen den Tabellenführer und Meisterschaftsfavorit SG Flensburg-Handewitt startet das Team von Trainer Emir Kurtagic in die entscheidende Phase der Saison 2016/17. Klar, dass die Frage nach dem Favoriten in dieser Auftaktpartie in der SCHWALBE arena schnell beantwortet ist, zumal die Flensburger schon bewiesen haben, dass sie die WM-Pause gut überstanden haben. „Eine überragende Mannschaft, die im Gegensatz zu uns am kommenden Mittwoch mit zwei Pflichtspielen bereits wieder voll im Wettkampfrhythmus sein wird“, erklärt VfL-Trainer Emir Kurtagic.
Die Schützlinge von (Noch-)Trainer Ljubomir Vranjes, der bekanntlich aus seinem langfristigen Vertrag bei Flensburg aussteigt und zum ungarischen Abonnementmeister Telekom Veszprem wechselt, gewannen unter der Woche das Spitzenspiel gegen den „ewigen Rivalen“ THW Kiel mit 30:29 und untermauerten bei nunmehr 35:3 Punkten ihre Titelambitionen. In einem Duell auf Augenhöhe, in der der frischgebackene französische Weltmeister und Ex-Gummersbacher Kentin Mahé das Siegtor erzielte, bewiesen die Flensburger schon eine erstaunliche Frühform und knüpften nach der WM-Pause nahtlos an ihre überragende Form aus der Hinrunde, in der sie lediglich eine Niederlage (beim THW Kiel) kassierten, an. Ein Sonderlob verdiente sich besonders Kentin Mahé, der mit acht Toren auch erfolgreichster SG-Werfer war, und dem Trainer Vranjes eine „Weltklasseleistung“ bescheinigte. Neben Mahé waren Holger Glandorf (6), Rechtsaußen Lasse Svan (5), Rückraumschütze Rasmus Lauge-Schmidt und Kreisläufer Henrik Toft Hansen (je 4) die erfolgreichsten Werfer der Norddeutschen, die zudem in Torwart-Routinier Matthias Andersson (wieder einmal) einen überragenden Rückhalt hatten.
Am morgigen Sonntag muss die SG noch beim polnischen Spitzenclub Wisla Plock in der Champions League ran, ehe sie die Reise ins Oberbergische antreten. Angesichts dieses Wahnsinnspensums haben die Verantwortlichen aus dem hohen Norden personell noch einmal reagiert und mit Mark Bult ausgerechnet einen Spieler des kommenden Gegners verpflichtet. „Es ging relativ schnell. In der Hinrunde hatten wir oftmals selbst nur einen rechten Rückraumspieler zur Verfügung. Aktuell waren es drei Linkshänder für die Position und wir haben dem Spieler den Wunsch erfüllt“, erklärt Kurtagic.
Bult soll das verletzungsbedingte Fehlen des schwedischen Linkshänders Johan Jakobsson kompensieren, da Vranjes mit Holger Glandorf auf der halbrechten Rückraumposition „nur“ noch einen Akteur zur Verfügung hat. Dieser hat allerdings das Prädikat Weltklasse. Hinzu kommt der kurzfristige Ausfall von Kapitän und Abwehrchef Tobias Karlsson, der sich beim Abschlusstraining vor dem Kiel-Spiel einen Sehneneinriss im Oberschenkel zuzog und mit einer sechs- bis achtwöchigen Zwangspause rechnen muss. Bult könnte also auch in der Abwehr der SG eine Option werden, wobei mit Jacob Heinl und Henrik Toft Hansen auch gute Alternativen für den Mittelblock parat stehen.
Für den VfL geht es im ersten Pflichtspiel des Jahres zunächst einmal um eine Standortbestimmung, und das Ganze auf dem allerhöchsten Niveau. „Natürlich benötigen wir eine herausragende Leistung, um gegen Flensburg mitzuhalten. Wir müssen auf jeden Fall selbstbewusst in die Partie gehen“, so Kurtagic, der mit dem Verlauf der Vorbereitung sehr zufrieden ist. Nach einer kurzen Pause zum Jahresende, wurde das Training schnell wiederaufgenommen und bekanntlich kehrten Simon Ernst und Julius Kühn auch früher als geplant von der WM zurück. „Ich denke, die Enttäuschung über das frühe Ausscheiden ist mittlerweile aus ihren Köpfen“, glaubt der Trainer. Zusammen mit den Rückkehrern Matthias Puhle und Kévyyn Nyokas, die bereits am Mittwoch wieder im Kader stehen sollen, hat Kurtagic wieder einige personelle Optionen. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und freuen uns, dass es wieder losgeht. Der Rest wird sich zeigen, und Mittwochabend wissen wir mehr“, so der Übungsleiter abschließend.
Unabhängig von den Ausfällen ist der Kader der Mannschaft von der dänischen Grenze auf jeder Position mit zwei Weltklasseleuten besetzt. So hat Trainer Vranjes vor den meisten Spielen bei der Auswahl der 14 Spieler buchstäblich die Qual der Wahl und kann sich den Luxus leisten (wie z.B. im letzten Spiel vor der WM-Pause bei der MT Melsungen geschehen) Klassespieler wie Petar Djordjic, Ivan Horvat, Hampus Wanne, Jacob Heinl und Anders Zachariassen, die bei den meisten Bundesligisten wohl die Nummer eins auf ihrer Position wären, auf die Tribüne zu setzen. Und die „erste Sieben“ der SG mit Matthias Andersson im Tor, dem Rückraumtrio mit Rasmus Lauge Schmidt, Thomas Mogensen und Holger Glandorf, der Flügelzange Anders Eggert und Lasse Svan und Kreisläufer Hendrik Toft Hansen können durch Weltklassespieler wie Kevin Möller im Tor und Kentin Mahé, Jim Gottfridsson und anderen aus dem 18er Kader erstklassig besetzt werden.
Kein Wunder, dass die SG bei den meisten Handballexperten schon vor der Saison zum heißen Titelfavoriten gekürt wurde. Und diese Rolle scheint die Truppe aus dem „hohen Norden“ auch gerecht zu werden. Jedenfalls führen die Flensburger derzeit nicht nur die Tabelle an, sondern sie haben auch den großen Vorteil, dass der hartnäckigsten Verfolger, Meister Rhein-Neckar-Löwen, schon mit einem Minuspunkt mehr belastet ist, zudem noch in der Flens-Arena antreten muss, während der THW Kiel bereits drei Punkte Rückstand zur SG aufweist. Gut möglich also, dass sich Ljubomir Vranjes mit der ersten deutschen Meisterschaft seit 2004 in Richtung Plattensee verabschiedet.