Wiehl – „Go, go , go – du schaffst das! Mach die Handdrehung, mit der kommst du immer raus“, wird eine Schülerin kräftig von ihren Mitschülerinnen angefeuert. Luna (Namen der Schülerinnen alle geändert) steht in der Turnhalle in einem mit Matten und Kästen nachgebauten Raum und versucht, einen Unbekannten (gespielt von einer guten Freundin) auf Abstand zu halten. Der „Mann“ kommt ihr deutlich zu nahe…
Aber was heißt das eigentlich – jemandem zu nahe kommen? Was ist „normal“, was nicht mehr? Darf ich mich wehren, wenn mir etwas komisch vorkommt und wie kann ich das effektiv tun? Und auch: welche Rolle spielt die Polizei und an wen kann ich mich außerdem mit Fragen oder vielleicht sogar einer Anzeige wenden?
Das alles sind Fragen, die im Rahmen des „Selbstsicherheits- und Konflikttrainings“ vom 06. bis 08.04.2016 mit Schülern und Schülerinnen intensiv besprochen wurden. Denn seit 2001 hat das Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium Wiehl das Präventions-Programm gegen sexuellen Missbrauch fest im Jahresplan der Stufe 9 verankert.
So wurden dieses Jahr 51 Jungen und 63 Mädchen getrennt in Kleingruppen aufgeteilt. Mit ihnen widmeten sich speziell geschulte TrainerInnen (alle KollegInnen des DBG Wiehl) dem großen und wichtigen Thema „Vorbeugung des sexuellen Missbrauchs“.
Das Training für Jungen hat zum Ziel, Jungen u.a. an die Themen Gewalt, Gewalt in der Beziehung und sexuelle Gewalt, Wertekonzepte in der Sexualität, Konfliktbewältigung und Krisenmanagement in der Beziehung heranzuführen. Dabei steht der Opferschutz im Vordergrund. Auch die Mädchen beschäftigen sich in Theorie und v.a. Praxis mit Formen des selbstsicheren Auftretens, dem Neinsagen und den Möglichkeiten der Verteidigung.
Es wird mit Vorurteilen aufgeräumt, kräftig geübt, auch mal laut zu schreien und effektive Befreiungstechniken anzuwenden. Hierzu erhielten die Mädchen in diesem Jahr professionelle Anleitung eines ausgebildeten und erfahrenen Kampfkunstmeisters. Guido Klawiter zeigte mit seiner Schülerin Nina Schmallenbach (selber Abiturientin des DBG Wiehl) eindrucksvoll, wie effektiv die Selbstverteidigungstechniken des WyngTjun wirken und übte diese an allen drei Tagen mit den Mädchen ein.
Ein weiterer elementarer Bestandteil der Jungen- wie Mädchenprävention wird durch die Kreispolizeibehörde gestaltet – hier findet Aufklärung über Täter, über Straftaten und erlaubte Formen der Selbstverteidigung statt. Die Kriminalhauptkommissare Uwe Köster, Harald Gaadt und Walter Steinbrech sowie ihre Kollegin Heide Saßenbach brachten auch dieses Jahr wieder Beispiele aus dem Oberbergischen mit, die den SchülerInnen verdeutlichten, wie Täter vorgehen (können) und an welchen Stellen sich die Jugendlichen im Sinne einer guten Prävention verhalten können.
Da die Trainings intensiv und auch intim sind, freut sich das Trainerteam des DBG besonders, dass einige Kurse außerhalb der Schule stattfinden können. So stellte auch dieses Jahr die evangelische Kirchengemeinde Wiehl wieder Räumlichkeiten im Gemeindehaus zur Verfügung.
Am Ende der drei Tage sind viele der Jugendlichen sich selber ein Stück näher gekommen. So sagt Chiara im Feedbackgespräch: „Ich wusste gar nicht, dass ich so laut schreien kann – das ist ein gutes Gefühl!“ Was nahezu alle mitnehmen, bringt ihre Freundin auf den Punkt: „Ich weiß jetzt, dass ich mich wehren kann.“ Dieses neue Bewusstsein ist der erste, aber auch wichtigste Schritt hin zum selbstsicheren Auftreten und damit in dem allermeisten Fällen dazu, kein Opfer sexuellen Missbrauchs zu werden.